Wir neigen – unbewusst – dazu, unsere Kinder mit Lob zu manipulieren. Das kann der Beziehung zu unseren Kindern schaden. Wie wir das ändern können. Und bedingungslos loben sowie lieben lernen.

[3. Teil des Dossiers „Loben„]

Schon mal ein Elternteil gesehen, das entzückt «Bravo! Gut ausgeleert!» ruft, sobald das Kindlein Milch über den Küchentisch ausleert? Ich auch nicht. Aber ich habe schon Lob gehört, nachdem das Kindlein schön sauber gegessen hat.

Rein theoretisch wäre Milch-ausleeren aber genauso Bravo-tauglich wie Essen ohne Kleckern. Denn beim (absichtlichen) Ausleeren entdeckt das Kind gerade die Schwerkraft für sich. Und schaut fasziniert zu, wie sich das flüssige Weiss über den Tisch ergiesst. Beim schütten, übt es ausserdem Feinmotorik.

Schwerkraft und Feinmotorik: Zwei Dinge die für die kindliche Entwicklung sehr wertvoll sind. Wenn es diese entdeckt, wird es aber getadelt. Wenn es selbständig isst, wird es gelobt. Das kann ganz schön verwirren.

Wie wir unsere Kinder mit Loben manipulieren

Wir neigen also dazu, unsere Kinder eher dann zu loben, wenn sie sich so verhalten, wie wir es wollen. In Hoffnung, dass sie es wieder tun würden. Und so steuern wir ihr Verhalten – unbewusst – in eine Richtung: Bequem für uns Erwachsene. In anderen Worten: Wir manipulieren unsere Kinder mit Lob.

Alfie Kohn, Erziehungsexperte und Autor (u.a. bei der NYT). geht noch weiter. Und bezeichnet Lob als verbalen Hundekuchen (Liebe und Eigenständigkeit, s. 179). Ein Hundekeks um unsere Kinder zu dressieren. So als ob sie Haustiere wären.

Dieser Vergleich mit dem Hundekuchen, sass bei mir erstmal. Ich beobachtete mich und tatsächlich: Wenn meine Tochter sich so verhielt, wie ich es wollte, schenkte ich ihr Lob, Zuneigung und Freude. Wenn sie aber etwas – in meinen Augen – doofes oder für mich unbequemes tat, war ich eher distanziert oder kühl. Vielleicht schimpfte ich sogar mit ihr.

Bravo, dass Du die Spielsachen in die Regale zurückräumst!
(Weil: Weniger Arbeit für mich.)

Aber: Argh, schon wieder die Milch ausgeleert!
(Weil: Mehr Arbeit für mich & dazu noch Foodwaste.)

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Wie die Leistungsgesellschaft unsere Kinder dressiert

Aber nicht nur wir Eltern, versuchen das Verhalten unserer Kinder mittels Lob zu lenken. Die Gesellschaft macht es uns vor. Fügsamkeit und Gehorsam bei Kindern werden in unserer Kultur ja über alles geliebt.

Oder kennt ihr einen Kellner, der im Restaurant zu Eltern mit lauten Kindern gesagt hat: „Ach ihr habt ja reizende Kinder, so schön laut wie sie sind. So echt und lebendig!“

Nein, man lobt Kinder nur dann, wenn sie artig sind. Nur dann, wenn sie lieb sind und brav und uns Erwachsene möglichst nicht stören. Nach der Kindheit wird ihr Verhalten dann mit Schulnoten (und Strafen) gesteuert. Und wenn sie erwachsen sind steuern sie ihre Arbeitgeber mit Boni und Lohnerhöhungen. Willkommen in der Leistungsgesellschaft: Es gibt hier eine Menge Anreize, die das menschliche Verhalten zu steuern versuchen. Weg von dem was wir vielleicht wollen, hin zu dem wie jemand mit mehr Macht uns haben will.

Bedingungslos lieben, bedingungslos loben.

Wenn wir aber unsere Kleinkinder – unbewusst – mit Lob manipulieren, kann das fatal werden. Denn sie sind auf uns angewiesen. Und die Botschaft könnte so rüberkommen:

„Liebes Kind. Du bist so brav und artig. Das finden wir gut (indem wir dich loben). Und deshalb schenken wir dir Aufmerksamkeit. Ergo sehen dich. Ergo lieben dich.“

Das Kind kann es dann so verstehen: „Sie lieben mich nur wenn ich xy mache. Sonst nicht.

Es erfährt, dass es nur dann akzeptiert wird, wenn es sich so benimmt, wie wir es von ihm verlangen. Ich glaube kein Elternteil, möchte sowas. Ich glaube, dass wir wollen, dass unser Kind sich unserer Liebe immer sicher ist. Ohne Bedingungen. Unabhängig von seinem Verhalten. Und genau deshalb tut es gut, unser Lob-Verhalten zu reflektieren.

5 Beispiele von bedingungslosem Lob

Schön und gut, könnte man nun meinen. Wie sieht aber ehrlicher, bedingungsloser Lob aus? Wenn ich super stolz bin, dass mein Kind zum ersten Mal die Holzklötze stapeln konnte? Und wenn ich diesen Lob am liebsten in die Welt hinausschreien möchte? Wie kann ich mich dennoch authentisch zeigen?

Das kann wohl jedes Elternteil für sich selbst beantworten. Die Antworten wären hier sehr individuell. Als erste Inspirationen findest Du eine Übersicht der „Lobalternativen“ in diesem Artikel: „Warum soll Loben schaden“. Und um bei den eingangs erwähnten Beispielen zu bleiben, könnte es dann vielleicht so aussehen:

Kind räumt auf

„Du hast Deine Spielsachen in das Regal verräumt! Ganz alleine! Ich freue mich so, zu sehen, wie Du immer wieder neue Dinge lernst. Und natürlich ist es schöner für mich, wenn ich nicht alles alleine aufräumen muss.“

Kind lässt sich die Zähne putzen 

„Vielen Dank, dass Du den Mund so weit aufmachst, so komme ich an jeden Zahnzwischenraum ran und bin so sicher, dass ich auch das letzte Spinatstückchen [bzw. was auch immer es bei euch heute zum Essen gab] erwische!“ (Wie es zum Zähneputzen ohne Konflikte kommt, erfährst Du hier.) 

Kind leert Milch aus

„Du hast die Milch ausgeleert! Findest Du es interessant, wie sie aus dem Krügchen läuft? Aber hör mal her: Milch ist ein Lebensmittel. Und ich möchte, dass wir mit Lebensmitteln sorgfältig umgehen bzw. diese essen. Aber weisst Du was? Soll ich Dir einen kleinen Krug mit Wasser und ein Glas geben, damit Du das Schütten üben kannst?“

Kind wird laut im Restaurant

Ich kann – während ungünstigen Phasen – auf Restaurantbesuche verzichten – und zu Hause essen. Ich kann mich auf die Suche nach Bedürfnissen & Gefühlen hinter dem Verhalten (also dem Schreien im Restaurant) machen. Und dann gemeinsam mit dem Kind eine Lösung suchen, um dieses Bedürfnis zu befriedigen, ohne die Bedürfnisse anderer Familienmitglieder dabei zu verletzten.

Ich kann (sobald der Sturm vorbei ist) liebevoll und auf Augenhöhe (d.h. wertschätzend, nicht von oben herab und schon gar nicht vor dem Kellner blossstellend) erklären, dass wir in einem Restaurant sind und hier auch andere Menschen am essen sind und wir deshalb auf einander Rücksicht nehmen. Dass wenn hier alle Gäste schreien würden, es ganz schön laut zu und her gehen würde. Und dass wir z.B. auf dem Spielplatz, im Wald oder zu Hause gerne austoben und laut sein können. Dass wir in öffentlichen Räumen aber auf andere Menschen Rücksicht nehmen. Und sie auch auf uns.

Bedingungslose Elternschaft: Meine Liebe hast Du auf sicher

Oder anders gesagt: Ich will auch zugewandt und liebevoll sein, wenn mein Kind in einem Restaurant nicht schön „artig“ ist. Ich will ihm das Gefühl vermitteln, dass ich es sehe und liebe, auch wenn es nicht so gut stapeln kann. Und ich will genauso stolz auf mein Kind sein, wenn es schlechte Noten nach Hause bringt.

Es geht um die Botschaft:

„Liebes Kind. Meine Liebe ist unabhängig von Deinem Verhalten. Ob Du gute oder schlechte Leistungen erbringst, ist mir völlig egal. Ich liebe Dich, bin Dein grösster Fan, weil Du genauso bist, wie Du bist. Weil Du schon wunderbar bist. Du brauchst Dich nicht (für mich) zu verändern. Du musst nichts tun, um geliebt zu werden. Meine Liebe hast Du auf sicher, egal was Du machst.“

Ich möchte nicht, dass meine Liebe an Bedingungen geknüpft ist. Wir alle brauchen Liebe und ganz besonders unsere Kinder. „Wenn wir jung sind, ist für uns nichts wichtiger als das, was unsere Eltern für uns empfinden (Kohn, s.40).“ Kinder sind von Liebe und Anerkennung ihrer Eltern abhängig. Und diese Liebe können wir ihnen einfach so schenken. Ohne dran Bedingungen zu knüpfen.

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Weiter geht’s mit dem Dossier „Loben“

Nun kann man sagen, ich lobe mein Kind nicht um es zu manipulieren, sondern aus reinem Gefühl der Freude und Stolzes heraus. Forscherinnen der Standford Universität fanden heraus, dass auch „selbstloser bzw. bedingungsloser“ Lob schadet. Warum das so ist, erfährst Du im nächsten Artikel hier auf Chezmamapoule.com. Um ihn nicht zu verpassen, kannst Du meine Sonntagspost (so heisst mein Newsletter : ) abonnieren. Ich freue mich auf Dich, bis bald! Hier klicken und kostenlosen Newsletter abonnieren

Mehr zum Thema „Bedingungslose Elternschaft“:

Diskutiert gerne mit: Wie macht ihrs? Wie ermutigt ihr eure Kinder? Was macht ihr, anstatt zu Loben? Vielleicht beobachtet ihr euch in der nächsten Situation, in der normalerweise Lob fallen würde und schildert eure diesbezügliche Erfahrungen und auch Reaktionen eurer Kinder? Wir sehen uns unten in den Kommentaren <3

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