Kind da, Liebe weg? Unsere Leserin, die anonym bleiben will, berichtet über Ehetherapie. Davon wie sie sich erst für ihre Eheprobleme schämte. Wie sie die Familienferien strichen und stattdessen zu zweit in ein Hotel sind. Und warum Eltern in eine Ehetherapie sollten, auch wenn in der Beziehung alles super läuft.

Seit zwölf Jahren sind wir ein Paar. Unser drittes Kind ist vier Wochen alt. Und wir lieben uns. Alles scheint super. Scheint. Denn hinter unserer Haustüre sieht es anders aus: Wir sind müde. Müde von unseren Jobs. Von den schlaflosen Nächten. Und wir streiten sehr oft. Wieso eigentlich? Ich glaube, weil wir uns oft falsch verstehen. Oder falsch kommunizieren. Vielleicht sind wir einfach gerade überfordert.

„Mit dem Auto geht man ja auch in den Service.“

Als ich meinem Mann eine Ehetherapie vorschlage, ist er alles andere als begeistert. Er hat Angst, dass ich ihm die Schuld an der Situation geben will. Dabei will ich einfach mehr Harmonie im Alltag. Mit dem Auto geht man ja auch in den Service. Schliesslich willigt er ein. Wir machen ab, dass falls uns der Therapeut nicht zusagt, wir einen anderen suchen.

Schon ein Zeitfenster und einen Babysitter zu finden, ist schwierig. Aber es muss sein. Denn wir brauchen unbedingt mehr Harmonie. Und unsere letzten Energiereserven dürfen nicht für erneuten Streit verbraucht werden. Beim Packen zu Hause haben wir einen Stress. Schliesslich sitzen wir im Auto Richtung Stadt. Richtung Paartherapie. Mit unserem vier Wochen alten Baby. Im Parkhaus stille ich es noch. Und dann hetzen wir zur Adresse unseres Therapeuten. Die Stimmung ist im Keller. Ich schwitze. Das Baby ist unruhig. Und wir streiten mal wieder.

Unsere Leserin - die anonym bleiben mag - berichtet über ihre Erfahrungen mit der Ehetherapie. Bericht lesen: www.chezmamapoule.com #paartherapie #beziehungsprobleme lösen #eheretten #ehekrise #beziehungskrise #eheprobleme
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Zum Glück macht der Therapeut auf uns einen guten Eindruck. Ich habe von Anfang an ein gutes Gefühl. Und frage nochmals nach, ob die Sitzung auch wirklich vertraulich bleibt. Dann stellen wir uns vor. Wir erzählen von uns und unserer Beziehung. Es ist ein sehr komisches Gefühl, einer fremden Person so viel Persönliches zu erzählen. Irgendwie schäme ich mich am Anfang auch. Ich habe das Gefühl, ich gebe nun offiziell zu, dass wir Probleme haben. Und die haben wir ja auch, aber bis jetzt hat es niemand ausser uns gewusst.

„Offenbar gehen viele Paare viel zu spät in die Ehetherapie.“

Zu Beginn der Sitzung sagen wir dem Therapeuten, dass wir einander sehr lieben und deshalb wollen, dass es wieder besser läuft. Der Therapeut findet das sehr gut. Offenbar gehen viele Paare viel zu spät in die Ehetherapie. Er sagt, die Ehetherapie wäre eine Chance etwas zu verbessern oder eine Beziehung noch besser zu machen. Und nicht die letzte Option, wenn es schon zu spät ist.

Während des Gesprächs sagt mein Mann Dinge über mich, die ich nicht so gerne höre. Aber auch viele schöne Sachen über mich. Gerade die schönen Sachen höre ich manchmal nur, weil mich der Therapeut darauf hinweist. Wir diskutieren und erarbeiten, was wir tun können, damit sich nicht wegen einer Kleinigkeit ein Streit entwickelt. Auch schauen wir, welche Situationen und Themen immer wieder zu Diskussionen führen. Und analysieren anschliessend, was wir besser machen können. Wo wir einander besser unterstützen können.

Dann sind die 90 Minuten auch schon wieder rum. Wir vereinbaren gleich den nächsten Termin (in sechs Wochen). Als wir draussen sind, finden wir beide, dass der Therapeut super ist und die Sitzung gut verlief.

„Streit entsteht ja meistens dann, wenn man zu wenig geschlafen hat oder spät dran ist. Also nehmen wir den Stress raus.“

In den kommenden sechs Wochen versuchen wir das Besprochene anzuwenden und es läuft besser. Wirklich besser. Unter anderem schauen wir auf unsere eigenen Ressourcen besser. Streit entsteht ja meistens dann, wenn man zu wenig geschlafen hat oder spät dran ist. Also nehmen wir den Stress raus. Streichen den grossen Familienausflug am Sonntag, damit jeder von uns seinen Schlaf nachholen kann. Und wir sagen uns öfter «Danke» und entschuldigen uns öfter.

Ausserdem sagen wir, wie wir uns fühlen. Nach einer durchwachten Nacht mit zahnendem Baby sage ich meinem Mann nun: „Ich bin schon k.o., obwohl es erst 7 Uhr am Morgen ist. Bitte hilf mir heute, es wird ein schwieriger Tag für mich.“ Und dann überlegen wir zusammen, wie man den Tag einfacher machen kann. Zum Beispiel nur die eingefrorene Kürbissuppe essen und das Haarewaschen der Kinder verschieben (falls möglich natürlich).

Beim zweiten Termin geht es noch tiefer. Wir können Grundsätzliches über unsere Beziehung und Familie besprechen. Dabei gehen wir auf unsere jeweiligen Familien ein, also auf unsere eigenen Eltern. Zuvor haben wir uns nicht gross Gedanken darüber gemacht, wie unsere eigenen Eltern uns geprägt haben.

Wir sehen ein, dass wir definitiv zu viel um die Ohren haben: Selbständigkeit, diverse Jobs und unsere drei Kinder. Für mich ist es wirklich krass, dass jemand anderer kommen muss, um uns zu sagen, dass wir einfach zu viel zu tun haben. Dass wir zu viel machen. Und als der Therapeut das sagt, ja erst da wird es uns klar. Er rät uns auch dazu, einen Tag oder sogar eine Nacht alleine wegzugehen.

„Nach der zweiten Sitzung von unserer Ehetherapie beschliessen wir im Herbst keine Familienferien zu machen. Und stattdessen eine Nacht alleine in ein Hotel zu gehen.“

Nach der zweiten Sitzung beschliessen wir, diesen Herbst keine Familienferien zu machen. Und stattdessen eine Nacht alleine in ein Hotel zu gehen. Als Babysitterinnen kommen die eine Grossmutter und eine Grosstante. Eine super Entscheidung. Ich bin erleichtert, dass ich nicht für alle Kinder packen muss.

Wir dachten immer, wir müssten unseren Kindern doch einmal im Jahr ein paar Tage Ferien bieten, aber das sehe ich jetzt anders. Unsere Kinder sind ja noch so klein. Lieber machen wir keine Familienferien, wenn wir alle dadurch genervt und gestresst sind. Lieber gehe ich mit meinem Mann nur eine Nacht in eine nahe Stadt. Und dafür machen wir mit den Kindern kleine Ausflüge von zu Hause aus. Oder ich gehe mit ihnen jeden Tag in den Wald. Die Kinder finden das super.

Auch ändern wir vieles in unserem Alltag, schalten immer mehr Stressfaktoren aus. Zum Beispiel planen wir jeden Termin mit Kindern nun 15 Minuten vorher. Also wenn der Kinderarzt um 14.30 ist, planen wir so, dass wir um 14.15 da sind. So komme ich nicht in einen Stress, wenn ich kurz vor dem Gehen noch Wickeln muss oder das Lieblingskuscheltier vergessen wurde.

Wir holen uns mehr Hilfe bei den Grosseltern. Wir reduzieren womöglich unsere Arbeit. Und wir sagen öfter „Nein“. Nein zu Einladungen. Zu stressigem Besuch. Zu anstrengenden Feiern. Oder dann geht halt mein Mann mal alleine an einen 40. Geburtstag und das nächste Mal gehe ich. So hat jeder eine kurze Auszeit. Und wir müssen nicht für alle drei Kinder alles packen. Andere Zeiten werden kommen, wenn die Kinder älter sind.

„Auch wenn es nun super läuft, werden wir wieder in die Ehetherapie gehen.“

Wenn ich auf diese zwei Sitzungen zurückblicke, kann ich nur sagen, ich habe noch nie für etwas Besseres Geld ausgegeben. Ich würde es jederzeit wieder machen.  Die wenigen Freunde, denen ich von unserer Erfahrung mit der Ehetherapie erzähle, finden das super. Und erzählen mir sofort von ihren eigenen, ähnlichen Problemen.

Auch wenn es nun super läuft, werden wir wieder gehen. Ich freue mich schon auf die nächste Sitzung, denn in diesen 90 Minuten geht es mal nur um uns. Und das ist so schön. Es tut gut zu hören, dass vieles gut läuft. Dieser Blick von aussen auf unsere Beziehung tut gut. Und das obwohl wir als Paar viel reden.

Unsere Kinder sind seitdem viel ruhiger und entspannter. Ich bin endlich die Mutter, die ich sein will. Eine Mutter, die Geduld hat und viel lacht. Und mit sich selbst und dem Mann an Ihrer Seite glücklich ist. Natürlich haben wir weiterhin stressigere Tage und ab und zu mal Streit. Das ist ja normal. Und es gibt Tage und Wochen, wo vieles schief läuft. Aber es liegt alles im Rahmen.

Durch die Ehetherapie haben wir uns noch viel besser kennengelernt. Und das nach zwölf Jahren. Wir sind fast ein bisschen neu-verliebt. Können im Alltag zusammen lachen, wo wir früher gestritten haben oder explodiert sind. Heute bin ich so froh, dass wir das unglückliche, verschwitzte Paar, das sich streitend mit Kinderwagen durch die Stadt hetzte, hinter uns lassen konnten.

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