Gästinnen: Olaolu Fajembola und Tebogo Nimindé-Dundadengar, Kulturwissenschafterin und Psychologin, Unternehmerinnen, Mütter und Autorinnen

Was machen, wenn das Kind im Zug ganz laut „Warum hat dieser Mann schwarze Haut?“ sagt? Statt peinlich berührt: „Pssst, das fragt man nicht.“ zu flüstern, können wir ganz einfach erklären: „In unserem Körper befindet sich ein wunderbarer Stoff, der heisst Melanin. Je mehr Melanin ein Mensch hat, desto dunkler ist seine Haut, Augen- und Haarfarbe.“ Das schreiben die Autorinnen Olaolu und Tebogo in ihrem Bestseller ‚Gib mir mal die Hautfarbe: Mit Kindern über Rassismus sprechen‘. In unserem Gespräch wollte ich von den beiden wissen, was soll man tun, wenn man als Erzieherin in einer Kita auf taube Ohren stösst mit den antirassistischen Ideen („Banden gründen und Verbände aufsuchen“) und warum es problematisch ists, wenn unsere Kinder in der Schule das Bild der „armen an Hunger leidenden Menschen in Afrika“ vermittelt bekommen (Weil es ein einseitiges, klischiertes Bild eines riesengrossen Landes zeichnet und nicht auf Augenhöhe ist: Wir die Retter aus Europa, sie die armen Hilfsbedürftigen). Wir sprachen über den Ausflug zum inneren Kind und was man tun soll, wenn das eigene Lieblingsbuch Pippi Langstrumpf ist und rassistisches Gedankengut widergibt (Nicht wegwerfen, aber mit dem Kind kritisch lesen und ein Gespräch über den Wandeln unserer Zeit und Sprache führen). Und auch davon, warum Beziehungen zu Gleichgesinnten (Banden, Schwarmwissen und Safe Spaces) so wichtig sind. Für Frauen, für Schwarze Menschen und im Kampf gegen Rassismus.

Interview mit Olaolu Fajembola und Tebogo Nimindé-Dundadengar hören

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(Im Podcast besprochene URLs und Ressourcen)

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(Dieses Interview erschien ursprünglich auf Tagesanzeiger.ch)

Nehmen wir an: Ich sitze mit meinem Kind im Bus und es fragt sehr laut, so dass alle es hören: «Mama, warum hat die Frau so dunkle Haut?» Ich reagiere verlegen mit einem: «Pssst, sowas fragt man nicht.» Inwiefern ist das problematisch?
Kinder haben ein sehr gutes Gefühl für nonverbale Kommunikation. Wenn wir Kindern vermitteln «Pssst, darüber spricht man nicht», suggerieren wir ihnen ein Problem. Kinder fragen sich dann: Warum ist das der Mama so unangenehm? Stimmt was nicht mit der Hautfarbe? Stimmt was nicht mit dieser Frau? Diese Fragen bleiben unbeantwortet, doch die angespannte Haltung, die wir als Erwachsene an den Tag legen, vermittelt Kindern ganz viel Wissen. Sie lernen: Es gibt Themen, die sind unangenehm. Themen, bei denen wir leise sein müssen und keine Fragen stellen dürfen.

Viele würden sagen über Hautfarben zu reden, sei unhöflich.
Wie wäre es, wenn die Person ein älterer, weisser Mann wäre, der soeben aus Mallorca zurückreist? Fänden Sie die Frage Ihres Kindes dann auch unhöflich? Oder würden Sie ganz einfach erklären: Der Mann war wohl viel an der Sonne und ist darum so schön braun. Genauso können wir mit Kindern über Hautfarbe reden und nicht so eine Riesenangst davor haben. Wenn es sich aber bei einem Schwarzen Menschen als unhöflich anfühlt, lohnt es sich selbst zu reflektieren und zu fragen: Warum fühle ich mich bei diesem Thema so?

Wie geht das genau, sich selbst zu reflektieren?
Indem man seine eigenen Ängste kritisch analysiert: Habe ich Angst vor dem Rassismus? Angst darüber zu reden? Angst Fehler zu machen? Viele haben eine diffuse Vorstellung davon, was Rassismus überhaupt ist. Da darf man sich fragen: Was wurde mir als Kind über Rassismus beigebracht? Wie haben wir am Tisch über die sogenannten «Ausländer» gesprochen? Welche Stimmung herrschte da? Toleranz? Angst? Und schliesslich darf man gerne recherchieren: Stimmt das überhaupt, was ich über Rassismus weiss? Sich Literatur holen, sich in Kursen gemeinsam mit anderen weiterbilden. Wenn man in einer Gemeinde lebt, in der sowas nicht angeboten wird: Es gibt sehr viele Onlineangebote.

Zurück zum Bus: Wie erkläre ich unvoreingenommen und kindgerecht, warum die Frau dunkle Haut hat?
Ich würde das dem Kind so erklären: Es gibt eine biologische Erklärung, warum Menschen dunklere Haut oder auch dunklere Haare haben: In unserem Körper befindet sich ein Stoff, der heisst Melanin. Das ist ein ganz wunderbarer Stoff: Je mehr Melanin ein Mensch hat, desto dunkler ist seine Haar-, Haut- und Augenfarbe.

In ihrem preisgekrönten Onlineshop Tebalou bieten Sie sorgfältig kuratiertes Spielzeug und Kinderbücher für mehr Vielfalt im Spielzimmer. Was wäre ein gutes Einstiegsbuch in Sachen Hautfarben?
Die meisten unserer mehreren hundert Büchern, die wir im Shop haben, handeln nicht von Rassismus oder Diskriminierung. Sondern von Themen wie «Aufs Töpfchen gehen» oder «Der Garten im Frühling». Zufälligerweise werden in diesen Büchern aber eben nicht nur weisse, gesunde Kinder in traditionellen Familien gezeigt. Und das ist es schon. Sich fragen: Wofür interessiert sich mein Kind gerade? Fussball? Pferde? Dazu ein Buch anbieten, das eben auch Vielfalt als Normalität darstellt. So erzeugen wir Sehgewohnheiten beim Kind und auch bei uns selbst. Und ja, gerne darf es auch mal eine Geschichte sein, in der auch ein Schwarzes Kind die Heldin der Geschichte ist.

Ich habe zwei Pferdefans zu Hause und habe bei Ihnen das Buch «Das Pony im 12. Stock» von Polly Faber bestellt.. …Das Schwarze Mädchen Pippa ist die Hauptfigur, ihre Mutter ist alleinerziehend…

…wir lieben Pippa und das spannend erzählte Buch sehr. Ist Fabers Pippa sowas wie Lindgrens Pippi 2.0?
Ich habe dazu eine Geschichte. Als meine Tochter in der 1. Klasse war, fingen wir an «Pippi Langstrumpf» zu lesen. Ein Aspekt von Pippi ist ja, dass sie lügt und als Tommy sie darauf hinweist, erklärt sie das wie folgt: «Ich habe zu lange Zeit in Kongo verbracht, da lügen die Leute immer und das müsst ihr mir nachsehen.»

Wie war das für Sie?
Ich wusste, meine Tochter hat noch nie was vom Kongo gehört. Und sie ist in einem Alter, in dem die Kinder bereit sind an alles zu glauben: An den Nikolaus, den Osterhasen. Ich wollte ihr nichts erzählen von dem afrikanischen Land, in dem alle Menschen lügen. Würde ich ihr das so erzählen und würde sie danach nie wieder was über Kongo hören, bleibt das ihre einzige Geschichte über Kongo. Das kann ich bei einem Schwarzen Kind nicht durchlassen. Also las ich: «Ja, ihr müsst mir nachsehen, ich war in Deutschland und habe lange Zeit unter Deutschen verbracht und die lügen alle von morgens bis abends.» Meinte Tochter reagierte empört: «Das stimmt ja gar nicht! Diese Pippi lügt ja!» Ich wollte ihr die Geschichte «Pippi Langstrumpf» so erzählen, dass sie kritisches Denken lernt und merkt: Pippi ist eine Figur, die man gerne auch aus Distanz und kritisch betrachten muss.

Ich verehrte Astrid Lindgren einst sehr, nun hege ich für sie gemischte Gefühle. Wie steht ihr Lindgren gegenüber?Astrid Lindgren war eine hochspannende, intelligente Frau. Sie setzte sich ein für Kinderrechte, ist unverheiratet Mutter geworden, hat sich selbst versorgt – war in vielem ihrer Zeit voraus. Gleichzeitig hat sie rassistische Weltbilder erschaffen. Wie beispielsweise Nelson Mandela, der patriarchal gewesen ist. So sind wir Menschen: Wir sind widersprüchlich in uns und machen Fehler. Es ist wie mit der Elternschaft: Unsere Kinder werden uns in 30 Jahren vielleicht auch Dinge erklären und wir werden viel lernen. Vielleicht werden sie uns zu Klima ausfragen. Als Eltern dürfen wir uns drauf gefasst machen, dass wir viele Fehler machen werden. Das ist menschlich.

Leseprobe von «Gib mir mal die Hautfarbe: Mit Kindern über Rassismus sprechen» gibt es hier.

Für Vielfalt im Spielzimmer: tebalou.shop

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