Früher schimpfte man «Rabenmutter!». Heute schreibt man Müttern vor, nicht allzu perfekt sein zu wollen und schimpft «perfekte Mutti!». Die Rhetorik ist dabei gleichgeblieben: durchtränkt von Frauenfeindlichkeit.
Sich über perfekte Mütter zu empören ist en vogue. Ob Insta-Mommys oder die sogenannten Übermütter aus dem echten Leben. Es werden Bücher über sie geschrieben und TED-Talks gehalten. Alles schön im Imperativ: Mama, Du sollst nicht perfekt sein! Die Argumentation geht so: Perfekte Mütter, ihr seid hochgefährlich, weil ihr ein unrealistisches und veraltetes Mutterbild transportiert und so andere Mütter unter Druck setzt. Der Fokus liegt dabei – wie immer – auf Müttern, von perfekten Vätern fürchtete sich bisher noch niemand. Das Narrativ wird weiter getragen an Spielplätze und ad absurdum. So stand ich kürzlich am Spielplatz und eine Mutter erklärte mir stolz, dass sie Geburtstagskuchen immer kaufe, sie sei schliesslich Feministin. Selberbacken wäre überholt. Dafür hätten nur diese perfekten Mütter Zeit.
Dieser vermeintlich belanglose Smalltalk beschäftigte mich lange. Es zeigt, wie wir heute über Muttersein und Feminismus denken. In Schubladen. Und wie krass Frauenfeindlichkeit sogar in feministischen Hirnen verankert ist. Denn wir nutzen weiterhin jede Möglichkeit, um Mütter zu bashen. Es zeigt, dass es für viele Frauen schmerzvoll ist, zu sehen, dass eine andere Mutter einen Weg eingeschlagen hat, der von ihrem Eigenen abweicht. Dass wir diesen Schmerz mit Spott und Besserwisserei zu lindern versuchen. Und dass wir dabei – wohl unbewusst – Muttersein, Gefühle und Entscheide von anderen Frauen nicht achten.
Frauenfeindlichkeit und die Urangst vor der schlechten Mutter
Warum ist das so? Wieso sind perfekte Mütter uns ein Dorn im Auge? Warum lassen wir uns von ihren gephotoshoppten Instagram-Bildern triggern? Eine Antwort fand ich im Besteller Verletzlichkeit macht stark der US-Amerikanischen Schamforscherin Brené Brown: «…lauern hinter meinen Entscheidungen Zweifel, wird in weniger entspannten Momenten der Erziehung selbstgerechte Kritik an anderen hochkommen, weil meine unterschwellige Angst, als Mutter oder Vater nicht perfekt zu sein, in mir das Bedürfnis weckt, mir zu bestätigen, dass ich zumindest besser bin als jemand anders.» So gesehen: Hätten wir selbst ein gutes Gefühl bezüglich unseres eigenen Mutterseins, würden wir nicht die Augen verdrehen, wegen diesen anderen, perfekten Müttern.
Die perfekten Mütter sind also nicht das eigentliche Problem. Sie sind eine Nebenerscheinung von Frauenfeindlichkeit und frauenverachtenden Rhetorik, die viele von uns intus haben. Und die Mütter beschämen, kontrollieren und ihre Care-Arbeit abwerten will. Nicht die perfekten Mütter transportieren ein unrealistisches Mütterbild. Sondern vor allem die Geschichten die uns Medienmacherinnen, Politiker, Kinderärztinnen, die Verwandten oder kinderlose Nachbarn erzählen. Und ein Stück weit auch jede einzelne Mutter sich selbst. Nicht die perfekten Mütter sind schuld an unserem Unwohlsein, sondern unsere patriarchalische Sozialisierung, die damit einhergehende Idee, dass es sowas wie eine perfekte Mutter überhaupt gibt und entsprechend fehlende Wertschätzung für «normale» Mütter.
Wertschätzung für alle Mütter: Frauenfeindlichkeit ein Ende setzen
Die fehlende Wertschätzung ist für die deutsche Autorin Patricia Cammarata wiederum der Grund für das Inszenieren des perfekten Mutterseins auf Instagram. Mütter würden das tun, «weil der ganze fucking Mental Load, die Aufgaben, die Strapazen der Baby- und Kleinkinderzeit endlich einmal gelobt und gehuldigt werden müssen.» schreibt sie in Raus aus der Mental-Load-Falle. So im Stil von, wenn es sonst keiner tut, lob ich mich halt selbst für die ganze unsichtbare und unbezahlte Care-Arbeit.
Hinter den Bildern von aufgeräumten Küchen und retouchierten After-Baby-Bodies, stecken also Unsicherheit und Sehnsucht nach Anerkennung. Es ist ein Versuch dank Insta-Herzchen, etwas mehr Wertschätzung für das eigene Muttersein zu erhaschen. Vielleicht ist es sogar ein Hilfeschrei.
Was also tun? Etwas mehr Mitgefühl zeigen! Das Bild der perfekten Mutter verschwindet nicht, wenn wir uns weiterhin vergleichen oder andere Frauen kritisieren. Es verschwindet höchstens dann, wann wir uns bewusst dafür entscheiden, per sofort jede Mutter, jede Frau zu respektieren. Jede Frau zu bestärken, ihrem Herzen zu folgen und sie auf diesem Weg – auch wenn er ganz anders ist als der eigene – zu unterstützen und anzufeuern. Denn das Patriarchat wird nicht zerschlagen, in dem wir uns gegenseitig fertig machen. Wir schaffen es nur gemeinsam.
Dieser Text entstand zuerst auf unserem Instagram @chezmamapoule // Bildrechte: ©Simona Dietiker
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Very pinteresting ;- )
Ebenfalls von Herzen DANKE!!
Danke fürs Lesen!
Liebe Ellen,
danke für deine tollen Input! Ich denke aber das allerwichtigste dabei ist das eigene Selbstbewusstsein als Mutter. Sich nicht zu vergleichen sondern seinen Weg selbstbewusst zu gehen und dazu zu stehen. Ich habe in mühevoller Arbeit an mir selbst gelernt, das alles im Kern bei einem selbst liegt und bei der eigenen Einstellung. Wenn ich selbst mit mein Weg der Mutterschaft zufrieden bin, brauche ich mich auch nicht zu vergleichen. Ich denke damit schafft man sich auch eine dickere Haut für allfällige eigenartige Kommentare von anderen, denn was deren Meinung ist, kann einem selbst dann egal sein. Und die wichtigste Messlatte ist sowieso das eigene Kind. Es zeigt einem sofort, was gut ist und was nicht. Und der eigene Weg ist ja auch immer im Wandel, je nachdem, was die aktuelle Lebenssituation so hergibt. Ich denke viele Mütter müssten einfach selbstbewusster sein, dass sie das was sie tun gut machen.
Danke, Victoria, für das Teilen, nun auch hier : )
Selbstbewusstsein ist ein grosses Thema vgl. auch diesen Text über Selbstvertrauen Ich denke, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbstbewusstsein oder auch anderen „Themen“, die jede von uns in sich trägt, geht los wenn frau erstmal ein Bewusstsein über die eigene Situation erlangen kann. Diese Vogelperspektive, diese Awareness über die eigenen Emotionen, Struggles und Wunden bekommt und dann merkt, dass der Schlüssel – der Kern, wie du ihn schilderst – bei einem selbst liegt und weniger in der Aussenwelt. Wenn auch nicht ausschliesslich, ich finde da muss man auch etwas vorsichtig sein, je nach Situation ist klar das Umfeld / die Umgebung schuld, da ist es wichtig, dass die Frau sich davon lösen kann, was schlussendlich ja auch Selbstverantwortung ist.
Somit vielen Dank für das Teilen Deiner Erfahrungen, super wertvoll.
Einfach nur Danke für diesen Text 🤗
Ich habe so den Verdacht, dass das ein Grundproblem unserer Gesellschaft ist. Wenn man gut in der Schule ist, wird man Streber genannt…
Es ist wahrscheinlich einfach ein sehr grosses Problem, dass Care-Arbeit immer noch zu wenig anerkannt und geschätzt wird. Und diese Grundgedanken der schwarzen Pädagogik geistern auch noch in den Köpfen herum.
Ich denke, es ist doch eher Selbstfürsorge als Feminismus, den Kuchen zu kaufen statt selber zu backen. Da muss man niemanden angreifen, der gerne Kuchen bäckt.
Und ich denke mit Perfektionismus als Mutter besteht grosse Gefahr in einem Burnout zu landen. Da braucht es schon eine grosse Portion Selbstachtung und das ist sicher eine Errungenschaft des Feminismus, dass mehr Frauen sich selber achten und auch verwirklichen.
Dieses Thema beschäftigt auch mich seit geraumer Zeit, weshalb ich seit längerem die Frauen in meinem Umfeld bewusster wahrnehme und sie darin bestärke, was ich bei ihnen beobachten kann, sei es äusserlich, beruflich oder zu Hause.
Der respektvolle Umgang beginnt ja bereits wie man miteinander redet. Unabhängig davon ob eine Frau oder ein Mann einer Frau zuhört, wird sie eher unterbrochen als wenn ein Mann reden würde. Als ich diese Studie lass, dachte ich, ah echt jetzt? Dann beoabachte auch ich mich, und was soll ich dazu sagen? Wie wahr! Auch ich unterbrach andere Frauen während ich Männern eher geduldiger zuhörte UND auch ich wurde regelmässig unterbrochen, von Frauen und von Männern. Dann kam bei mir die Kehrtwende. Ich habe bewusst angefangen zu sagen: „Moment, ich bin noch nicht fertig, lass mich bitte fertig ausreden“. UND ich höre seither viel aufmerksamer bei Frauen zu.
Vielleicht ist es damit weit ausgeholt, aber ich denke, es beginnt ja schon beim Zuhören.
Ich finde das überhaupt nicht weit ausgeholt, liebe Kim. Vielen Dank für den wertvollen Impuls.
In ihrem Buch „Das Unwohlsein der modernen Mutter“ von Mareice Kaiser (übrigens sehr empfehlenswert) wird dieses Thema auch aufgegriffen. Frauen werten andere Frauen ab, um sich selbst aufzuwerten. Im Buch wird der Hintergrund dazu noch etwas ausführlicher skizziert: dadurch, dass sich der Wert einer Frau so lange daran fest gemacht hast, wie gut sie einen Mann gefiel, um sich und ihre Kinder zu schützen und zu überleben, mussten Konkurrentinnen aus dem Weg geräumt werden. Wie tief verankert das in uns ist und wie weit der Einfluss des Patriarchats reicht, hat mich bei dieser Erkenntnis erschüttert. Danke, dass du das Thema neu beleuchtest und wir, die das Privileg haben diese Zusammenhänge zu sehen, sollten die Verantwortung dafür übernehmen und mit gutem Beispiel voran gehen und anderen Frauen mit offenem Herzen begegnen. Denn ja, vor dem perfekten Vater fürchtet sich keiner, doch sind es die Männer, vor deren Meinung frau sich unterschwellig fürchtete, und nicht vor der Schwester. Das haben wir nur von klein auf so gelernt. Zeit, das zu ändern, die eigene Einzigartigkeit und die jeder anderen Person zu feiern.
Danke für Deine Rückmeldung, liebe Anke
Liebe Ellen und liebe Anke, danke für eure Inputs. Das beflügelt meinen Tag heute. Da ich so wenig Zeit hab im Moment, tut es einfach so gut, wenn einem jemand gut recherchiertes in kurzer Fassung mitteilt. Danke!
Wir Schwestern müssen dringend mit mehr Liebe und Herz füreinander leben.
Herzlich, Maya
Yes : ) Danke Dir!