Wenn es uns schlecht geht, hören wir viel lieber: «Es muss gerade sehr hart sein für Dich, oder?» als „Jetzt mach mal kein Drama!“ Unseren Kindern gehts gleich. Davon wie wir negative Gefühle zulassen können, statt unsere Kinder zum Schweigen bringen zu wollen. Und warum es der Geschwisterliebe gut tut. 

Werbung. Das Bild zu diesem Beitrag ist von der Fotografin Leni Moretti

Vor Kurzem, da bin ich fast ausgetickt. Es ging mir richtig schlecht. So richtig übel. Ich war so wütend und überfordert. Und da ich ein sehr emotionaler Mensch bin, liess ich das auch raus. Und mein Mann, er hat echt cool reagiert.

Er kam zu mir und sagte: „Boah, Du bist gerade richtig sauer, oder?“

Und ich: „Ja, total!“

„Du könntest jetzt die ganze Welt zusammenschnauzen, oder?“

„Genau! Es geht mir so Kacke. Es ist alles zu viel.“

„Erzähl mir doch, was passiert ist.“

Ich erzählte ihm die Story und er sagte nur: „Wow, erst jetzt versteh ich, wie hart diese Situation für Dich sein muss.“

Ich war erstaunt: „Ja! Aber weisst Du was? Jetzt nach unserem Gespräch geht es mir schon viel besser!“

Und jetzt stellt euch vor, er hätte wie folgt reagiert:

„Ach komm, Du steigerst Dich da wieder in etwas rein.“

oder: „Hmm, so schlimm ist das alles doch gar nicht.“

oder aber – die schlimmste Floskel ever: „Mach nicht wieder so ein Theater!“

Ich glaube, da wär ich voll ausgeflippt. Und hätte wahrscheinlich angefangen zu weinen. Oder ihn anzuschreien. Auf jeden Fall würde es mir wegen seiner Reaktion massiv schlechter gehen. Aber mit seiner einfühlsamen Art hat und in dem er meine Gefühle spiegelte, hat er mir wahnsinnig geholfen.

Genau so geht es unseren Kindern.

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Wie wir negative Gefühle zulassen können. Und somit Geschwisterliebe fördern und Geschwisterrivalität nicht mehr anheizen. Wie wir unseren Kindern zeigen wie man Gefühle beschreiben, Gefühle zulassen und Gefühle zeigen kann. Mehr lesen: www.chezmamapoule.com #elternsein #unerzogen #montessori #erziehung #familie #kinder #geschwisterstreit #eifersucht #bindungsorientiert #attachmentparenting

Mama Poule für Deine Pinnwand 😉

Schlechte Gefühle raus. Gute rein.

Die oben geschilderte Story ist fiktiv. Den Trick mit dem Gefühle spiegeln, hab ich aus dem Buch Siblings Without Rivalry (s.32 ff) von Adele Faber und Elaine Mazlish. Und er hatte einen wahnsinnigen Effekt auf unser Familienleben. Denn das Thema «Geschwisterrivalität» bringt mich mehr an meine Grenzen als der Schlafentzug es jemals tat. Wenn sich meine Kinder streiten, spüre ich, dass ich den Konflikt mit meinem Verhalten irgendwie beeinflusse. Ich weiss aber nicht genau, was ich besser machen könnte.

Faber und Mazlish – zwei Expertinnen für Eltern-Kind-Kommunikation – haben eine Antwort: Erst wenn die schlechten Gefühle herauskommen, können die Guten hineinkommen. Und hier liegt der Schlüssel zu mehr Geschwisterliebe statt Geschwisterstreit. Die Hauptthese der Autorinnen lautet:

Wenn wir mit Druck auf positive Gefühle zwischen Geschwister bestehen (Seid lieb miteinander!), erzeugen wir negative Gefühle. Wenn wir aber negative Gefühle zwischen den Kindern erlauben (Du bist jetzt so richtig sauer, was?) und uns Zeit nehmen diese Gefühle zu verstehen, erzeugen wir positive Gefühle.

Es ist also wichtig, dass Kinder ihre negativen Gefühle ausleben können. Diese Theorie klang erstmal gut. Richtig Klick machte es bei mir, als ich mich selbst beobachtet habe.

Ein paar Beispiele:

  • Die Grosse beklagt sich, dass ich die Kleine stille. Und ich: «Ich war doch gerade bei Dir, jetzt muss ich stillen.»
  • Die Grosse nervt sich, weil die Kleine zu ihr «Blöde Simona!» ruft. Ich: «Ignorier sie doch einfach.»
  • Die Kleine ruft «Blöde Simona!» Und ich: «Nenn Deine Schwester nicht so!»
  • Die Kleine beklagt sich, dass sie nicht mit dem Auto spielen darf. Ich: «Hol Dir doch einfach ein anderes Spielzeug.»
  • Die Kleine spielt mit dem Auto der Grossen (ihr Geburtstagsgeschenk). Die Grosse reisst es aus ihren Händen, worauf ein Streit ausbricht. Ich: «Sei nicht so gemein zu ihr, sie interessiert sich doch nur für Dich und Deine Spielsachen!»

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Warum wir die negativen Gefühle unserer Kinder selten ernst nehmen

Ihr seht schon, Ich nehme die Gefühle meiner Kinder nicht ernst. Anstatt ihnen zu helfen, diese rauszulassen, hacke ich sie gerne mal ab. Hand aufs Herz, macht ihr das auch? Manchmal? Obwohl es sich irgendwie nicht ganz gut anfühlt? Oft sagen wir auch Dinge wie „Es ist ja nichts passiert!“ oder „Alles wieder gut!“ wenn unser Kind sich das Knie aufgeschürft hat, obwohl wir wüssten, dass wir es auch achtsam durch seine Trauer begleiten können.

Warum tun wir es dennoch? Vielleicht weil wir es schnell abhaken wollen oder das Schreien nach einem langen Arbeitstag einfach nicht aushalten können. Oder aber weil wir selbst einen richtigen Umgang mit unseren eigenen Gefühlen nie lernen durften. Weil uns die Sätze fehlen: «Die meisten von uns sind mit einer Sprache aufgewachsen, die uns ermuntert, andere in Schubladen zu stecken, zu vergleichen, zu fordern und Urteile auszusprechen, statt wahrzunehmen, was wir fühlen und was wir brauchen.» schreibt Marshall B. Rosenberg in seinem Klassiker Gewaltfreie Kommunikation (s.35).

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Zwei Bücher, die ich jedem empfehlen kann: Siblings Without Rivalry (hier bestellen) und Gewaltfreie Kommunikation (hier bestellen)

Was wir stattdessen sagen können.

Und genau diesen Kreis möchte ich durchbrechen. Oder: Durchbrechen lernen. Und einmal mehr dank meinen Kindern lernen. Denn ich möchte ihnen helfen, ihre Gefühle zu erkennen. Und zu lernen, wie sie sich abreagieren können. Faber & Mazlish (s.40) schlagen hierfür vier Wege vor. Es ist wichtig zu erwähnen, dass nun eine Zusammenfassung des ersten Kapitels aus ihrem Buch folgt. Falls euch das Thema interessiert und die vorgestellten Ansätze ansprechen, kann ich euch wirklich ans Herz legen das Buch zu lesen.

Weg Nr. 1: Negative Gefühle annehmen statt ablehnen

  • Du kümmerst Dich nur ums Baby! > Du magst nicht, dass ich so viel Zeit mit ihr verbringe.
  • Jonas sagt, ich sei doof! > So eine Bemerkung kann einen aufregen.
  • Sandra rülpst absichtlich! > Du glaubst, sie will dich damit ärgern?

Dieser Weg bringt uns persönlich am meisten. Und wirkt extrem de-eskalierend auch in Autonomie-Momenten (a.k.a. Trotzanfälle). Was mir dabei wichtig ist: Die unvoreingenommene Position einzunehmen. D.h. die Gefühle meiner Kinder möglichst wertfrei zu spiegeln. Und nicht zu viel von meinen eigenen Gefühlen und Wahrnehmungen reinzuinterpretieren. Ich würde z.B. zu meinen Kindern nicht sagen: Bist Du eifersüchtig auf Deine Schwester? Oder: Nervt es Dich weil sie Dich plagt? Weil sie noch so jung (2 & 4) sind, und ich denke, dass Konzepte wie „Eifersucht“ oder „Plagen“ in ihnen gar noch nicht manifestiert sind. Vielleicht stecken ja ganz andere Gefühle und Emotionen hinter ihrem Unmut? Diese möchte ich nicht „labeln“.

Weg Nr. 2: Wünsche in der Fantasie erfüllen

  • Gib das Baby zurück! > Wünschst Du Dir manchmal, dass sie nicht hier wäre?
  • Ich habe gehört, wie sie über mich gelacht hat. > Das hat Dich verletzt. Du wünschst Dir, sie wäre verständnisvoller, oder?
  • Er hat MEIN Auto genommen! > Das kann nervig sein. Du wünschst Dir, dass er sich mit dir abspricht, bevor er Dein Auto nimmt?

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Weg Nr. 3: Negative Gefühle auf kreative Weise abreagieren

  • Grosse schlägt die Kleine > Ich kann nicht zulassen, dass Du Deine Schwester schlägst. Willst Du Dich stattdessen an der Puppe/Kissen abreagieren?
  • Sie ist gemein, nie darf ich mit ihr in die Stadt! > Willst Du ein Bild malen, das zeigt, wie Du Dich fühlst?
  • Sie hat meine Hose kaputt gemacht, jetzt willl ich auch eine von ihr zerstören! > Willst Du in einem Brief an Deine Schwester aufschreiben, wie wütend Du bist.

Weg Nr. 4: Statt angreifen, negative Gefühle ausdrücken lernen

  • Kinder schlagen sich > Hört mal zu: Wir haben eine Regel, dass wir uns nicht hauen. Versucht euren Zorn mit Worten zu sagen, sagt was ihr gerade braucht. (Vgl. Simone Davies s. 224)
  • Dieser Dreckskerl hat alle meine Kekse gegessen! Statt ihn zu beschimpfen, kannst Du richtig laut sagen: Ich bin WÜTEND!

Bei diesem Weg ist er mir wichtig, dass eine Einladung ist. Eine Einladung wie wir negative Gefühle ausdrücken können. Wir haben einerseits die klare Regel, dass wir anderen nicht weh tun. Andererseits geht es mir darum, eine Möglichkeit aufzuzeigen, wie man sich abreagieren kann. Ich fordere diese nicht ein und bin nicht enttäuscht, wenn mein Kind die Idee nicht umsetzt. Ich schlage es ihr vor. Und manchmal sage ich: „Du kannst es Dir ja noch überlegen und Dich später für Dich entscheiden, wie Du mit diesem Gefühl umgehen willst.“

Empathie-Spickzettel für euren Kühlschrank: Für mehr Geschwisterliebe (und vielleicht weniger Geschwisterrivalität)

Erst wenn die schlechten Gefühle herauskommen, können die Guten hineinkommen. Im Alltag geht das aber oft vergessen. Und weil empathische Sätze (noch) nicht zu meinem Grundwortschatz gehören, hängt dieser „Spickzettel“ an unserem Kühlschrank. Ich kann euch eins sagen: Am Anfang fühlt es sich vielleicht komisch an so zu reden. Aber je mehr ihr euch darin übt, kommen Worte der Empathie automatisch über eure Lippen. Vielleicht hilft euch ja dieser Empathie-Spickzettel. Ihr könnt ihn gerne downloaden und ausdrucken. Falls er euch hilft, wäre das für mich eine grosse Ehre <3

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Was mir Dank dem Buch „Siblings without rivalary“ ebenfalls aufgefallen ist: Ich vergleiche – ohne mir dessen bewusst zu sein – meine Kinder dauernd. Warum das Vergleichen der Geschwisterliebe nicht gut tut und Geschwisterrivalität fördert, erfährt ihr im kommenden Artikel auf Chezmamapoule.com. Falls noch nicht der Fall, abonniert unseren kostenlosen Newsletter dann flattert der Artikel direkt in euer Postfach. Bitte schön <3

Mehr zum Thema Gefühle und Geschwisterliebe

  • Geschwisterrivalität: Das Buch „Siblings without rivalary“ kann ich euch wärmstens empfehlen. Es beschreibt Beispiele aus Elternkursen der Autorinnen. Und ist sehr praxisorientiert und verständlich geschrieben. Besonders toll für müde Eltern: Am Ende jedes Kapitels gibt es eine Zusammenfassung. Das Original in Englisch könnt ihr hier bestellen, die Deutsche Übersetzung hier.
  • Kommunikation: Das Buch „Gewaltfreie Kommunikation“ wird eure Beziehungen dramatisch verbessern, ich versprechs! Und zwar nicht nur die Beziehungen zu euren Kindern, sondern auch zu euren eigenen Geschwistern, Lebenspartnern, Eltern, Freunden und – ganz wichtig – zu euch selbst: Das Buch hier bestellen.
  • Erinnerungen: Vielen Dank an Dich, liebe Leni Moretti, für das fantastische Titelbild mit den beiden Geschwister! Falls ihr auch solch authentischen Familienfotos machen wollt, schaut euch Lenis Online-Fotokurs für Eltern an: Baby- und Kinderfotos für Eltern. Da erklärt sie Schritt für Schritt, wie ihr im Familienalltag drinnen und draussen solche Kinderfotos macht. Ich hab mich bereits angemeldet! Und wer keine Zeit für einen Kurs hat: Auf ihrem Insta-Kanal gibt sie regelmässigen Input und kostenlose Tipps für scharfe Kinderfotos im manuellen Modus: instagram.com/lenimoretti/
  • Gefühle spiegeln: Trotzphase – Umgang mit Wutanfällen in der Autonomiephase (Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten)
  • Kinder trösten: 20 Alternativen zu „Ist ja nichts passiert!“ (Die kleine Botin)

Falls euch dieser Artikel geholfen hat, würde ich mich wahnsinnig freuen, wenn ihr Mama-Poule-Mitglied werdet. Denn dieses Webmagazin zu betreiben, kostet Zeit, Geld und Arbeit. Und wir brauchen jede Unterstützung unserer Leserinnen. Vielen Dank! So funktioniert die Mitgliedschaft

Bildrechte Titelbild: © Leni Moretti
Bildrechte Rest: © Ellen Girod