Wie Gleichberechtigung der Frau mit der Aufwertung von Hausfrauentum zusammenhängt. Unsere Autorin plädiert dafür, frauenverachtende Muster zu reflektieren, statt sie unter dem Deckmantel des vermeintlichen Feminismus zu reproduzieren.
Feminismus hat ein Imageproblem. Einer der Gründe dafür wird wohl sein, dass mitunter sehr vieles unter dem Branding «Feminismus» verbreitet wird. So auch patriarchales Gedankengut und Frauenverachtung. Das zeigten die jüngsten Debatten, um die neue Ehe-Rechtsprechung des Bundesgerichts. Es entschied, dass Ex-Partnerinnen künftig weniger Unterhaltszahlungen erhalten sollen. Man sprach in der Folge vom «Auslaufmodell der Hausfrauen», es wurden schadenfreudige Bilder von «bösen Ex-Frauen» gezeichnet. Und alle schienen sich dabei einig: Dieser Entscheid würde endlich zur Gleichberechtigung beitragen. Dieses Narrativ macht mich unfassbar wütend.
Wütend, weil niemand davon spricht, dass die logische Folge nun wäre, dass es einen Aufschwung an Hausmännern geben muss. Weil diejenigen, die in diesen Diskussionen zu kurz kommen, einmal mehr diejenigen sind, die eine viel zu kleine Lobby haben, nämlich die Kinder. Wütend, weil es zeigt, wie verachtend unsere Gesellschaft gegenüber Frauen und auch Care-Arbeit steht und das noch unter dem Deckmäntelchen der vermeintlichen Gleichberechtigung tun will.
Gleichberechtigung: Ein lebenswertes Modell des Frauseins
Was viele bei diesen Diskussionen scheinbar vergessen: Wir leben noch lange nicht in einer gleichberechtigten Gesellschaft. Vor 50 Jahren war es für viele noch eine Utopie, dass Frauen in der Schweiz wählen können. Kein Wunder, fehlen uns heute die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder besser gesagt: für lebenswerte Modelle des Frauseins. In diesem Kontext eine Rechtsprechung, die viele – weniger privilegierte und gutgebildete – Frauen in die Armut treiben könnte, als einen grossen Schritt zur Gleichberechtigung zu bezeichnen, ist ein Hohn.
Nein, es hat nicht viel mit Gleichberechtigung zu tun, dass unsere Wirtschaft und Politik darauf ausgelegt sind, dass eine Frau sich unbezahlter Care-Arbeit widmet, während ihr Mann Karriere macht und sie dann im Fall einer Scheidung von Armut betroffen sein soll. Es hat auch nicht viel mit Gleichberechtigung zu tun, wenn als einzige Konsequenz gelten soll, dass Frauen möglichst schnell berufstätig sein müssen und die Care- sowie Hausarbeit an eine andere, um einiges schlechter (Kita-Lehrtochter, Nanny – oft aus dem Ausland, Au Pair) bis gar nicht bezahlte Frau (Grossmutter, Tante) delegieren.
Care-Arbeit endlich entschädigen
Was also tun? Neben familienfreundlichen Arbeitgeber, Lohngleichheit, zahlbaren und hochwertigen Kitas sowie der Individualbesteuerung für Paare, müssen wir endlich über eine weitere feministische Forderung reden: die Entschädigung von Care-Arbeit bzw. einer Elternzeit, die ihren Namen verdient hat. Es kann nicht sein, dass Kinder die Leidtragenden sein müssen. Es kann auch nicht sein, dass Mütter sich dafür schämen müssen, länger als vier Monate bei ihren Kindern sein zu wollen. Viele Eltern wollen ihre Kinder länger selber betreuen als die lächerlichen vier Monate Mutter- bzw. zwei Wochen Vaterschaftsurlaub. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Bindungsforschung zeigt, wie wichtig die ersten drei Lebensjahre sind.
„Geht es einem Elternteil nicht gut, werden die Kinder nicht danebensitzen können, zuschauen und fröhlich sein.“ Nadja von Saldern
Mit bezahlter Care-Arbeit wären viele Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Altersarmut von Frauen, die prekären Situationen von Alleinerziehenden und die Verschuldung der geschiedenen Zahlväter. Geht es einem Elternteil nicht gut, werden die Kinder nicht danebensitzen können, zuschauen und fröhlich sein, schreibt die Berliner Rechtsanwältin und Paartherapeutin, Nadja von Saldern in Ihrem Ratgeber Glücklich getrennt: «Zu Hause können wir uns immer nur so glücklich fühlen, wie das schwächste Glied in der Kette.» Statt Männer und Frauen mit patriarchaler Rhetorik gegen einander auszuspielen, reden wir also lieber über Win-Win-Lösungen für alle, davon hat Feminismus nämlich einige zu bieten.
Dieser Text erschien zuerst in abgeänderter Form bei uns auf Instagram @chezmamapoule // Bildrechte: ©Simona Dietiker
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Liebe Ellen
Danke für diese wichtigen Worte. Mir zieht sich der Magen zusammen, wenn ich daran denke, wie viele von uns Mamas geradewegs in die Altersarmut hineinschlittern. Das darf doch einfach nicht sein!
Was können wir da aktiv dagegen unternehmen? Weisst du. ob es Initiativen/Vereine/Gewerkschaften etc gibt, die wir unterstützen können? Wird die Entlöhnung von Elternarbeit auf politischer Ebene überhaupt diskutiert?
Ich bin da voller Aktivismus und gleichzeitig fühle ich mich irgendwie etwas ohnmächtig…
Danke für deine Arbeit.
Danke für deine Worte, ein Thema, das wirklich laut diskutiert werden muss. In den letzten Jahren hat es sich, nahezu unbemerkt, in ein Lebensmodell entwickelt, in dem beide Elternteile Vollzeit arbeiten gehen und die Kinder im Alter von 10 Monaten ganz selbstverständlich fremdbetreut werden. Es wird einem eingeredet, dass die Familiengruppe großartig für die kindliche Frühförderung sei und andere Kinder dem eigenen Kind in der Entwicklung helfen würden. Zugleich wurde es zur Schande, wenn man als Mama die ersten drei Lebensjahre mit dem Kind zusammen verbringen will.
Die Folgen sind schon jetzt bei einigen Kindern sichtbar, denn die Bindung zu den eigenen Eltern ist die Substanz der Entwicklung. Auch das Stresspotential der Kleinen wird nicht bedacht oder berücksichtigt, wenn sie eine 36 -Stundenwoche im Kleinkindalter haben, dies zeigt sich aber in ihren Cortisolwerten. Die Folgen sind gesteigerte Aggressivität, Hyperaktivität und Ängstlichkeit. Dafür standen aber wenigstens beide Elternteile Vollzeit dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.
Danke, liebe Julie. Ich denke, es ist wichtig, dass das Wohl der Kinder dabei nicht vergessen geht. Und dass jede Familie eine gute Lösung finden kann, ohne sich vor finanziellen Nachteilen zu fürchten. Dies kann z.B. auch sein, wenn der Vater die Hauptbezugsperson ist und die Mutter die Hauptverdienerin. Nur ist es so, dass für solche Modelle die Rahmenbedingungen sehr selten gegeben sind. Aber dass die Kinderbetreuung komplett outgesourced wird, beide Eltern Vollzeit berufstätig sind und nur so die Altersarmut von Frauen verhindert wird, ist für den Staat vielleicht gut, aber kann ganz sicher nicht die Lösung im Sinne von Kindern sein.
Dem Text ist nichts hinzuzufügen, danke dafür. In der öffentlichen Debatte finden solche Standpunkte leider noch kein Gehör. Die Bedürfnisse der Kinder haben sich – unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung – den Wünschen einer Wirtschaft, die am Ende vor allem ein paar Wenige reich macht, unterzuordnen. Das ist eigentlich absurd, wird aber von der Allgemeinheit grösstenteils nicht hinterfragt und fälschlicherweise als Fortschritt verstanden. Höchste Zeit für einen Perspektivenwechsel.
Danke schön, lieber David!
Ich finde den Artikel wirklich klasse! Vielen Dank dafür!
Auch ich hatte mich früher vor den Kindern nie in der Rolle einer Hausfrau und Mutter gesehen (um Gottes Willen, dachte ich abschätzig) und doch ist es mehr oder weniger so gekommen. Und warum? Nicht, weil ich keine Lust hätte wieder in meinen Beruf einzusteigen, zu faul bin, oder sonst keine Hobby oder Interesse hätte, sondern aus purer Liebe zu meinen Kindern. Nämlich weil ich mir nicht vorstellen kann, sie so früh in fremde Hände zu geben, weil sich das falsch anfühlt, weil ich Kinder bekommen um die aufwachsen zu sehen und so viel wie möglich Zeit mit ihnen zu verbringen, weil sie die wichtigsten Menschen in meinem Leben sind. Und geht es uns Müttern nicht eigentlich allen so?
Ich glaube fest: ja!
Nur wird das gesellschaftlich immer noch nicht wertgeschätzt, denn diese Care-Arbeit besteht aus lauter kleinen banalen Handlungen und Tätigkeiten, die den Alltag bestimmen und die als selbstverständlich wahrgenommen werden. Sogar mir selbst fällt es manchmal schwer, meine eigene Arbeit, die ich geleistet habe, wenn ich den ganzen Tag „zuhause“ war, wertzuschätzen, weil ich mit ebendiesen Maßstäben gelernt habe zu messen. Dabei ist dieses ‚warme Nest‘, das man dadurch für seine Familie schafft, von unschätzbarem Wert für die seelische Gesundheit der Kinder, der Familie und damit auch der Gesellschaft.
Ich hoffe sehr, es findet ein Umdenken in der Gesellschaft statt!
Vielen Dank, liebe Sophie, für Deine Gedanken dazu.
Weil ich etwas mehr arbeite und verdiene als mein Partner, erzählen mir andere Mütter oft, dass sie UNBEDINGT zuhause bleiben wollen. Daraus resultieren dann halt auch Männer, die das Geld heimbringen. Ansonsten stimme ich dem Artikel aus vollem Herzen zu.
Danke, liebe Claudia!
Danke für deinen toll geschriebenen Artikel. Das macht in der Tat richtig wütend und leidtragenden sind wie so oft die Kinder.
Vielen Dank, liebe Ellen : )