Der Autor Markus Tschannen ist seit neustem Hausmann in Vollzeit und will damit ein Zeichen setzen. Im Interview erzählt er von der Rollenverteilung zu Hause und seiner Nachtarbeit im Familienbett.
Wenn eine Frau sich dafür entschliesst, Hausfrau zu werden und die gesamte Haus- und Care-Arbeit zu übernehmen, gilt das als keine grosse Sache. Da aber Hausmänner in unserer Gesellschaft stark untervertreten sind, will Markus Tschannen eine Lanze brechen. Statt sich selbst zu zelebrieren, ist es ihm ein Anliegen, Sichtbarkeit für ein neues Modell zu schaffen und Paaren Mut zu Veränderungen zu machen. Zu lange hätten wir der Gesellschaft erlaubt, falsche Statusprioritäten zu setzen. Markus Tschannen weiss: Haus- und Care-Arbeit sind enorm wichtig, können sehr erfüllend sein bieten viele Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung. Es sei eben eine Frage der Haltung. Ellen Girod sprach mit ihm über die neue Rollenverteilung in seiner Familie, über Mental Load und warum es ihm schwerfällt, auf Paternal Gatekeeping zu verzichten.
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(Transkript des Gespräches, leicht redigiert für mehr Klarheit.)
Ellen Girod: Lieber Markus, wie lange bist du schon Vollzeit-Hausmann?
Markus Tschannen: Noch nicht sehr lange. Wir befinden uns noch in der Übergangsphase. Bisher lebten wir das 50-50-Modell. Ich kann allerdings schon abschätzen, was auf mich zukommt, da ich von Anfang einiges an Hausarbeit gemacht habe. Es ist mir also nicht komplett neu.
Wie sieht euer Familienmodell im Moment aus?
Wir leben das 50-50-Modell seit der Geburt unseres ersten Kindes. Das bedeutet: Erwerbsarbeit ca. 50-50, Care-und Hausarbeit etwa 50-50. Die Kinderbetreuung ist dabei ein zentraler Punkt, da wir keinerlei externe Kinderbetreuung in Anspruch nehmen. Der Jüngste wird darum rund um die Uhr von uns betreut.
Wie kam es denn damals zu dieser Entscheidung?
Meine Frau hat beim ersten Kind noch studiert, hatte also kein Einkommen. Ich habe mein Pensum auf 60% reduziert. Für mich war einfach immer klar: Wenn ich mal Kinder habe, und die wollte ich unbedingt, dass ich mich mindestens 50% um Kind und Haushalt kümmern möchte.
Habt ihr das vorher besprochen oder hat sich das einfach so ergeben?
Im Nachhinein haben wir erstaunlich wenig drüber geredet. Wir haben zwar immer mal wieder über Details gesprochen, aber wir haben nicht zusammengesessen und geplant. Es war irgendwie von Anfang an klar.
Wie teilt ihr auch auf?
Mit der Zeit haben sich Ressorts ausgebildet, weil jedem von uns andere Dinge wichtig sind. Ich mache schon immer gerne die Wäsche und bin für Kleidung zuständig. Meiner Frau dagegen ist Essen sehr wichtig. Sie kümmert sich darum um alles, was mit Lebensmitteln zu tun hat. Putzen machen wir gemeinsam.
Und das 50-50-Modell lief bisher gut?
Insgesamt geht es gut auf. Wir haben uns sogar so gut eingespielt, dass es fast schon schade ist, das jetzt zu ändern. Klar, es gab immer mal wieder Diskussionen, gerade, wenn wir beide viel zu tun hatten und schauen mussten, auf unsere Stunden zu kommen. Oder wenn einer von uns versucht hat, am Abend noch ein, zwei Stunden für die Arbeit abzuknüpfen, hat das vielleicht dem anderen nicht gefallen. Aber das waren wirklich kleine, kaum nennenswerte Diskussionen. Im Grossen und Ganzen haben wir es gut hinbekommen.
Im Buch «Raus aus der Mental Load Falle» von Patricia Cammarata geht es um all die unsichtbaren Arbeiten, die traditionellerweise Hausfrauen erledigen. Sei es das Geburtstagsgeschenk für die Kindergartenfreundin besorgen oder überlegen, woher man nachhaltige Gummistiefel in der nächsten Grösse organisieren kann. Frau Cammarata empfiehlt, eine Liste zu machen und die Aufgaben untereinender aufzuteilen. Habt ihr das auch so gemacht?
Nein, wir haben das nie so gemacht. Bei uns hat es sich natürlich ergeben, dass das mit der Aufgabenteilung funktioniert. Uns ist bewusst, dass Mental Load ein grosses Thema und ein wichtiger Teil der Arbeit ist. Aber wir sind dem Mental Load zum Glück beide nicht abgeneigt. Ich bin sogar ein stückweit ein Kontrollfreak. Ich muss wissen, was läuft und mich um Dinge kümmern. Dadurch übernehme ich automatisch einen Teil des Mental Load. Geschenke besorgt tatsächlich meine Frau und sie macht das gern, aber die ökologischen Gummistiefel wären voll meins. Ich bin mir nicht sicher, ob meine Frau die aktuelle Schuhgrösse der Kinder überhaupt weiss.
Sicher funktioniert es bei euch auch deswegen so gut, weil ihr von Anfang an 50-50 gemacht habt. Anders ist es ja in einer Beziehung, wo der Mann abends nach Hause kommt und nicht sieht, was tagsüber alles gelaufen ist. Care-Arbeit und Mental Load bleiben so häufig unsichtbar, das kann zu Diskussionen führen. Hast du ausserhalb des 50-50-Modells einen Tipp, wie man über solche Dinge spricht?
Ich glaube, das kommt ganz auf die Partnerschaft an. Ich denke, wenn man den Frust in sich hineinfrisst, genervt ist, aber es nicht anspricht, tut man niemandem etwas Gutes. Wenn wir mal einen Fall hatten, wo einer von beiden mit der Situation unzufrieden war, haben wir es angesprochen. Das ist nicht immer ganz einfach und gibt natürlich Diskussionen, hoffentlich fruchtbare. Vielleicht auch Streit. Generell finde ich, dass beide sich den Mental Load aneignen sollten. Damit die Frau dem Mann am Papi-Tag keine Listen schreibt, was er zu organisieren hat. Nach dem Motto: Mutter bereitet alles vor, Vater muss nur noch ausführen. So manövriert man sich noch schneller ins Ungleichgewicht.
Stichwort Maternal Gatekeeping. Teresa Bücker, Kolumnistin beim SZ-Magazin, hat zu der Debatte geschrieben, Maternal Gatekeeping sei ein antifeministischer Frame, der Frauen vorwirft, nicht loslassen zu können. Dabei seien es oft die Männer, die es sich auch einfach bequem machen würden mit einer vorgefertigten Liste. Was war eigentlich der Grund, dass du dich dazu entschlossen hast, Vollzeit-Hausmann zu werden?
Das hat mehrere Gründe. Ich habe in meiner jetzigen Firma elf Jahre lang in unterschiedlichen Pensen gearbeitet. Ich mochte meinen Beruf und meinem Arbeitgeber, der mir viel Flexibilität einräumte. Aber irgendwann hatte ich den Eindruck, dass ich oft gestresst war, weil ich zu viele Hüte anhatte. Das 50-50-Modell hat zwar gut funktioniert, aber das Jonglieren zwischen Erwerbstätigkeit und Privatleben hat mir immer mehr Stress verursacht. Ich brauchte Veränderung, Der Hauptgrund für unseren Entschluss liegt aber bei meiner Frau. Sie ist Doktorandin und soll ihre Dissertation schreiben. In der Schlussphase braucht sie jetzt 100 % Zeit. Leider bleibt aber das Gehalt bei 50% und wir werden sehr aufs Geld schauen müssen.
Das ist ja aber dann zeitlich absehbar, wie lange wird sie schreiben?
Das ist bei einer Dissertation immer schwer abzusehen, aber sie sollte in einem Jahr fertig sein. Dann stellt sich natürlich die Frage, wie es weitergeht. Ich könnte mir vorstellen, auch weiterhin voll als Hausmann tätig zu sein. Aber das müssten wir nochmal neu besprechen.
Das heisst, ihr müsst jetzt kürzer treten, keine Ferien und Restaurantbesuche, habt dafür aber mehr Lebensqualität?
Ja, wir müssen uns natürlich finanziell einschränken. Während ich Einzelsocken früher weggeworfen habe, zieh ich mir jetzt einfach zwei unterschiedliche an, bis sie ausgetragen sind. Als Sparmassnahme sozusagen. Darum hab ich jetzt öfter zwei unterschiedliche Socken an.
Wie handhabt ihr das mit der Care-Arbeit am Abend und am Wochenende? Teilt ihr das auch 50-50 auf?
Das müssen wir noch genau besprechen. Die Idee ist, dass wir diese Zeiten aufteilen. Und zwar weder so, dass sie alles gleich gleich komplett übernehmen muss, noch so, dass sie dann gar nichts mehr mit den Kindern zu tun hat. Sie möchte trotzdem jeden Tag Zeit mit ihnen verbringen. Momentan mache ich die Kinder morgens bereit. Meine Frau fängt relativ früh an zu arbeiten und macht früher Feierabend. So kann sie abends noch etwas mit den Kindern sein. Wir achten dabei darauf, dass sie Qualitätszeit mit den Kindern verbringt. Ich laufe währenddessen herum und putze oder räume auf. Abendritual und Kinder ins Bett bringen machen wir gemeinsam, die Nachtarbeit hab dann wieder ich.
Nachtarbeit, ein toller Begriff. Ihr habt keine externe Betreuung. Wann redet ihr miteinander? Oft ist man doch am Abend so müde, dass man seine Ruhe haben will und nicht noch unbequeme Beziehungsgespräche führen will.
Wir haben tatsächlich sehr wenig Paarzeit. Wir besprechen vieles am Abend, oft über die Kinder hinweg. Aber dadurch, dass wir beide im Homeoffice sind, hatten wir zwischendrin viel Gelegenheit, um kurz etwas zu besprechen. Dadurch haben wir nicht das Bedürfnis nach langen Gesprächen. Ich kann mir aber vorstellen, dass das in anderen Situationen sehr hilfreich und befreiend sein kann. Ich kann mich erinnern, als wir einmal bei den Grosseltern in Deutschland waren und die Kinder für ein paar Stunden abgegeben haben. Wir waren essen und haben die gesamte Zeit nur über die Kinder geredet, uns gegenseitig Fotos von ihnen gezeigt. Wir haben die Zeit also nicht so genutzt, wie wir sie vielleicht hätten nutzen können.
Wie macht ihr das konkret mit der Organisation? Ihr braucht keine Listen, da ich von Anfang an das 50-50-Modell gelebt habt. Aber wir organisiert euch, damit ihr euch nicht ständig anrufen müsst, wenn was erledigt werden muss? Habt ihr da eine App?
Das wäre gar keine schlechte Idee, mal einen Familienkalender oder Ähnliches zu haben. Wir haben gar nichts. Aber es läuft erstaunlich gut, vielleicht schon deshalb, weil sich schon früh herauskristallisiert hat, dass gewisse Sachen eher bei einer Person liegen. Das Thema Kleider habe ich sofort an mich gerissen. Es ist sogar so, dass ich Kleider rauslege, wenn meine Frau mal die Kinder für die Schule bereit macht. Das macht es einfacher.
Ist das jetzt aber nicht Paternal Gatekeeping? Schnell selber machen, weil es einfacher ist? Das ist doch genau der Grund, warum Frauen Dinge einfach schnell selber erledigen, schnell noch die Liste machen, damit der Mann nachher nicht 10 Mal am Tag anruft und man sich auf die Arbeit konzentrieren kann. Findest du nicht auch?
Ja und nein. Es sind sicher Mechanismen im Spiel, wenn eine Person einmal für alles verantwortlich ist. Das kennt man ja auch aus dem Berufsleben. Dann ist es einfacher, wenn man es schnell selber macht. Aber es macht für mich einen Unterschied, ob es sich dabei um einen Aufgabenbereich handelt oder ob es generell so ist. So gibt sicher Themen, wo diese Vorgehensweise die Sache vereinfacht. Aber wenn es zum Beispiel darum geht, den Kindern schnell ein Essen zuzubereiten oder daran zu denken, sie an einem Sommertag regelmässig einzucremen…das kann man doch auch selber hinbekommen, da braucht es keine vorgefertigte Liste. Doch es ist auf jeden Fall so, ich leugne es nicht: In Sachen Kleider betreibe ich sehr starkes Paternal Gatekeeping. Und da muss ich dazu stehen. Meine Frau weiss noch nicht mal, wie die Waschmaschine funktioniert. Aber ich glaube auch, dass Maternal Gatekeeping gibt, und auch, dass es häufig als Entschuldigung verwendet wird. Es sollte keine Ausrede für Väter sein, gar nichts mehr machen zu müssen.
Teresa Bücker kritisiert den Begriff Maternal Gatekeeping. Die meisten von uns seien so sozialisiert worden, dass die Mutter die Care-Arbeit und der Vater die Erwerbsarbeit macht. Und jetzt seien wir in einem Zeitalter angekommen, wo viele Paare einen Weg suchen, es anders zu machen. Und dann komme die Moralkeule und stelle Mütter an den Pranger mit Begriffen wie Maternal Gatekeeping. Findest du nicht auch, dass man es nicht so drehen darf, dass die Mütter jetzt die Dummen sind?
Ich frage mich auch teilweise: Haben manche Väter keinen Ehrgeiz, innerhalb der Familie gewisse Verantwortung zu übernehmen? Ein Hirsch im Beruf, Projektleiter mit wahnsinnig viel Verantwortung, und dann kommt er heim und ist völlig hilflos. Hat so jemand denn gar keinen Anspruch an sich selbst, auch mal zu Hause zu zeigen, was er kann?
Das ist eben das Statusdenken in unserem patriarchalem System, dass Erwerbsarbeit mehr geschätzt wird als Care-Arbeit. Drum will man sich zu Hause vielleicht nicht so beweisen, denn man beweist sich ja schon im Büro. Was rätst du Paaren in dieser Situation?
Ich würde Müttern und Vätern empfehlen, sich zusammenzusetzen und zu überlegen. Was ist eigentlich wichtig in meinem Leben? Und zu wagen, die Statusunterschiede etwas zu brechen. Den Männern würde ich raten, sich zu überlegen: Was bedeutet eigentlich Haus- und Care-Arbeit? Ich übernehme Verantwortung für meine Familie und mache durchaus spannende Tätigkeiten: Um im Haushalt erfolgreich zu sein, musst du Chemiker, Physiker, Mathematiker und Logistiker sein. Es braucht sehr viele unterschiedliche Skills. Der Haushalt bietet also viele Möglichkeiten, um sich zu verwirklichen. Und du machst etwas enorm Wichtiges: Du kümmerst ich um deine Kinder, sorgst dafür, dass sie zu den Erwachsenen werden, die hoffentlich ein erfolgreiches Leben meistern. Job ist wichtig und Status gut und recht, aber wenn ich mir überlege: In meinem Beruf als Kommunikationsberater schleife ich hauptsächlich den ganzen Tag an irgendwelchen Formulierungen, Texten und Pressemitteilungen herum, um irgendwelche Unternehmen durch all die Euphemismen schön dastehen zu lassen. Und ich frage mich: Ist das jetzt so viel wichtiger, als die Arbeit, die ich daheim mache, wenn ich mich um meine Kinder kümmere? Da haben wir der Gesellschaft lange Zeit erlaubt, falsche Statusprioritäten zu setzen.
Wie sind die Reaktionen aus deinem Umfeld, wenn du deine neue Rolle als Vollzeit-Hausmann erwähnst?
Bisher habe ich vordergründig sehr positives Feedback bekommen. Es ist aber schwer zu sagen, was sich dahinter wirklich verbirgt. Es heisst ja immer, Männer würden hochgelobt, wenn sie Verantwortung im Haushalt übernehmen. Aber es gilt ja auch für Väter, dass die Hausarbeit einen schlechteren Stellenwert hat. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Leute innerlich denken: Ja, aber er ist doch ein Verlierer, wenn er jetzt so auf Haushalt zurückgestuft worden ist.
Eine völlig überholte Denkweise. Und wie ist das für dich? Kränkt dich das oder ist dir das völlig egal?
Generell neigt der Mensch ja dazu, sich positiv darzustellen zu wollen und gewisse Anerkennung zu verlangen. Aber in der Hinsicht bin ich relativ selbstbewusst, mache die Aufgaben gern und habe mich immer gern um meine Kinder und den Haushalt gekümmert. Wer findet, das sei ein blöder Job oder bedeute einen Rücktritt, auf dessen Meinung gebe ich nicht viel. Ich denke, es gibt eine Aussen- und eine Innensicht. Wer gerade tolle Karriere macht, der blickt eher auf Hausarbeit herab und macht es, weil es sein muss. Das kann ich irgendwie nachvollziehen. Aber innerhalb der Beziehung ist die Wertschätzung höher, wenn der Partner seinen Teil zum Familienleben beiträgt, nicht nur finanziell.
Viele Frauen erfahren Scham, ganz gleich ob Haufrau oder Verdienerin: Kritik gibt es immer. Entweder Rabenmutter oder Huschi am Herd, man kann es nie richtig machen. Wie siehst du das?
Ja, bei Frauen kommt erschwerend dazu, dass immer mehr feministische Kreise sie als unfeministsich brandmarken, wenn sie eine gewisse Zeit die Hausfrauenrolle einnehmen. Man kann es in der patriarchalen Gesellschaft als Frau eigentlich nur falsch machen, es ist schon schlimm.
Ich nenne das den Oldschool-Feminismus, nach dem du nur emanzipiert bist, wenn du alles gleich machst wie dein Mann. Und dann gibt es die neue Strömung, die sagt: Lass uns darüber reden, wie die Welt aussieht und es anders machen. Stichwort Rabenmutter: Hat das deine Partnerin auch schon gehört?
Nicht explizit, soweit ich weiss. Aber was sie oft erlebt, sind Fragen, die Männer nie gestellt bekommen. Wenn in beruflichen Kreisen das Thema Kinder aufkommt, kommt öfter die Frage: «Und wer schaut jetzt nach ihnen?» Da schwingt auf jeden Fall etwas mit. Erstaunlicherweise ist das eine Frage, die sowohl von Männern als auch von Frauen, auch Müttern, gestellt wird. Mir wurde so eine Frage natürlich noch nie im Leben gestellt.
Haushalt und Kindererziehung bezahlt niemand, und es können sich grosse finanzielle Lücken auftun, wenn du es ein paar Jahre machst. Wie geht ihr das Thema Geld an im Hause Tschannen?
Ehrlich gesagt sind wir da wahrscheinlich etwas naiv. Man könnte auch sagen mutig. Seit dem ersten Kind hatten wir Phasen, in denen wir mit wenig haben auskommen müssen. Zudem habe ich in Teilzeit auch nicht wahnsinnig viel verdient in den letzten Jahren. Jetzt wird es wieder sehr knapp. Aber das ist jetzt eben eine Lebensphase und die Zeit meiner Frau als Doktorandin und mir als Hausmann ist absehbar. Darum denke ich, die nächsten ein, zwei Jahre werden jetzt noch kein grosses Loch in die Altersvorsorge reissen. Wir haben mehr das Problem, dass wir allgemein nicht so gut dastehen. Unsere Pensionskassen sind miserabel. Ich bin zuversichtlich, dass es wieder andere Phasen geben wird. Im schlimmsten Fall sind wir im Alter schlechter gestellt.
Erwartest du von deiner Frau einen Lohn?
Wir haben schon jetzt im 50-50-Modell je ein getrenntes und ein gemeinsames Konto. Alle Ausgaben zahlen wir konsequent vom Haushaltskonto. Der Lohn kam jeweils auf unsere Privatkonten, und wir haben beide denselben Betrag aufs Haushaltskonto einbezahlt. Jeder durfte dabei einen kleinen Betrag auf seinem Konto behalten. In Zukunft wird es keine Sparbeträge geben, sondern alles geht direkt aufs Haushaltskonto. So der klassische Fall: Meine Frau verdient und ich benutze die Kreditkarte.
Führst du Budget?
Nein, wir sind beide relativ sparsam. Beim Essen sparen wir nicht grossartig, aber ausserhalb der grundlegenden Lebenshaltungskosten sind wir beide sehr genügsam. Wir haben nicht das Problem, dass wir grosse private Wünsche gegeneinander aufwiegen müssen. Wir geben das Geld aus, das wir ausgeben müssen, um leben zu können. Entweder reicht es oder es reicht nicht. Momentan haben wir noch etwas Spareinlagen, auf die wir zurückgreifen können. Aber wenn wir merken, die werden dünn, müssen wir natürlich weiterschauen.
Zu Thema Hausfrauenlohn. Das ist ja so ein von der SVP geprägter, furchtbarer Begriff. Wie siehst du das auf politischer Dimension: Bist du für ein bedingungsloses Grundeinkommen?
Ich kann der Idee sehr viel abgewinnen. Ich finde alle Massnahmen gut, die es Familien erlauben, flexibel und nach ihren Wünschen ihr Familienleben zu gestalten. Ich finde diejenigen Massnahmen nicht wahnsinnig toll, die einen extremen Anreiz zugunsten der Wirtschaft schaffen. Ich will nicht wirtschaftsfeindlich sein, aber ich halte beispielsweise nichts von Forderungen wie «Kitas sollten gratis sein». Denn wenn ich meine Kinder selbst betreuen will aus irgendwelchen Gründen, hab ich nicht viel davon. Das sind Anreize dafür, dass alle möglichst 100 Prozent arbeiten gehen. Private Bedürfnisse müssen dafür hinten angestellt werden. Als wir in Deutschland wohnten, bekamen wir ein Betreuungsgeld, weil wir keine externe Betreuung beanspruchten. Das gab es damals monatlich zusätzlich zum Kindergeld. Ich fand das eigentlich ein gute Lösung, die man statt einer Drittbetreuung in Anspruch nehmen konnte. Den Geldbetrag dieses Betreuungsgeldes konnte man investieren, um das Arbeitspensum zu reduzieren. Dieses Konzept wurde stark bekämpft, als «Herdprämie» und als unfeministisch beschimpft, weil es Anreize dafür schaffe, dass Frauen daheim blieben. Bei uns hat sie im Übrigen dafür gesorgt, dass ich als Mann mehr daheim bleiben konnte. Das Betreuungsgeld wurde letztlich als verfassungswidrig deklariert. Ich finde aber gerade solche Lösungen interessant, weil sie der Familie Handlungsspielräume geben, sich zu entscheiden, wie man sich organisieren möchte.
Ich bezeichne mich als Feministin, vertrete aber diese Gedanken überhaupt nicht, nach denen sich der Feminismus so stark vom Kapitalismus einnehmen lässt. So wird die ganze Bewegung ad absurdum drauf reduziert, dass sie möglichst der Wirtschaft dient. Und dass man nur dann eine emanzipierte Frau ist, wenn man sich voll der Wirtschaft aufopfert. Mein Verständnis von Feminismus ist, dass wir uns alle zusammen, Männer und Frauen, überlegen, wie kommen wir aus den patriarchalischen Strukturen heraus? Ich wünsche mir, dass wir eine Gesellschaft kreieren, die allen gleich dient, nicht nur dem wohlhabenden Mann. Das ist für mich Feminismus. Was sind deine Gedanken dazu?
Dieser Wandel wäre wirklich wünschenswert. Wir betreuen unsere Kinder zwar selber, aber ich sage nicht, dass das besser ist oder dass das alle tun müssen. Es war einfach unser Wunsch. Aber diese Erfahrung einmal gemacht zu haben und auch das als legitimes Modell zu akzeptieren, trägt zu einer pluralistischeren Gesellschaft bei. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen das Experiment wagen und sagen: Ich bin jetzt mal Vollzeit-Hausmann, um zu erfahren, wie das auf mich wirkt. Drum fände ich es wichtig, beiden Elternteilen den rechtlichen Rahmen zu bieten, das mal auszuprobieren, z.B. wenn die Kinder klein sind.
Das wäre ein guter Ansatz. Vielleicht denkst du ja in einem halben Jahr wieder anders und ihr setzt euch nochmals zusammen und diskutiert neu?
Ja, aber ohne den Anspruch zu haben, jederzeit sagen zu können: «Ich will jetzt doch nicht». Das geht auch nicht. Aber wenn es für eine Person nicht passt, dann muss man sich natürlich zusammensetzen und eine Lösung finden. Ich denke, generell hilft es einfach, in kürzeren Phasen zu denken. Das geht bei Menschen mit einer klassischen linearen Karriere natürlich weniger. Ich habe das wie ein bisschen aufgegeben. Ich will flexibler werden, unterschiedliche Sachen machen, mein Pensum häufiger anpassen. Das ist nicht überall möglich, aber wie viele Väter geben sich sehr schnell zufrieden damit, wenn der Arbeitgeber sagt, sie könnten ihr Pensum nicht reduzieren. Mein Arbeitgeber sagte das anfangs auch, aber ich habe dagegengehalten. Ich habe ihn mit der Zeit überzeugt, dass ich die Flexibilität brauche, einen Homeoffice-Anteil und ein niedrigeres Pensum will. Ich war davon überzeugt, dass das in meinem Job möglich ist.
Das heisst, du musstest mehrere Gespräche mit deinem Arbeitgeber führen?
Genau. Es war ein Findungsprozess. Mein Arbeitgeber war anfangs skeptisch gegenüber Homeoffice, aber dann haben wir es probiert und es erstmal als Experiment vereinbart. Es hat gleich sehr gut funktioniert. Aber ja, es brauchte Gespräche. Man darf sich nicht nach der ersten Absage zufriedengeben.
Viele Arbeitgeber waren früher skeptisch gegenüber dem Homeoffice. Und dann kam Corona und wir sehen: Homeoffice geht doch! Ist kein Problem und hat sogar Vorteile. Darum hatte Corona so einen netten Side-Effect für die Vereinbarkeit.
Für die Leute, die immer Homeoffice wollten und nicht durften, war dies sicher ein positiver Wandel. Und ich finde, es normalisierte auch etwas das Kinderhaben. Ich hab einmal, vor Corona, eines der Kinder zu einer Sitzung mitgenommen, weil es nicht anders ging. Es hat niemand etwas gesagt, aber es war eben nicht normal. Aber seither habe ich in all den Teams-Calls so viele Kinder im Hintergrund gehört. Es war schön, vor Augen zu haben, dass Leute, die einen Beruf haben, und auch Leute die einen «wichtigen» Beruf haben, häufig auch Kinder daheim haben und dass man diese Kinder auch hört. Ich fand das einen schönen Effekt.
Hast du noch einen Tipp für Väter, die sich vielleicht im Entscheidungsprozess befinden, Vollzeit- Hausmann zum werden? Etwas, das wir noch nicht angesprochen haben?
Konkrete Tipps sind etwas schwierig. Ich stelle mir zum Beispiel einen Härteübergang von voll berufstätig auf Hausmann schwierig vor. Was ich da sicher empfehlen kann, ist schon früh Verantwortung zu übernehmen, vielleicht erstmal für einen Teilbereich. Zum Beispiel vorerst für alles zuständig zu sein, was mit Schule zu tun hat. Um schon einen Fuss drin zu haben und sich nicht in einer komplett neuen Welt zurechtfinden zu müssen. Und man sollte sich Gedanken machen wie: Was bedeutet mir die Haus- und Care-Arbeit und wie will ich sie ausführen? Was will ich für ein Hausmann und Vater sein? Paargespräche in Ehren, aber ich finde es fast wichtiger, sich mit sich selber zu beschäftigen und herauszufinden, wie man es gestalten will. Ein Gespräch mit sich selbst, Qualitätszeit alleine, in der man sich über solche Dinge Gedanken macht.
Markus Tschannen
Markus Tschannen lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern Beebers (2) und dem Brecht (7) in der Nähe von Bern. Als @souslik lässt er auf Twitter rund 11’000 Follower*innen an seinem Leben teilhaben.
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