Gewalt in der Kindererziehung wird in der Schweiz noch immer verharmlost. Schläge auf den Hintern werden sogar im Fernsehen verteidigt. Das muss sich subito ändern. Es ist Zeit für eine Bewegung gegen Gewalt an Kindern!
Dieser Text erschien in ähnlicher Form als Kolumne im Magazin wir eltern
«En Tätsch uf de Arsch, das tuet de Fraue mängisch guet*!» Stellen wir uns vor, ein Politiker würde sowas sagen. Der Aufschrei wäre riesig. Die Parteileitung würde sich in aller Öffentlichkeit für den Fauxpas entschuldigen und sich von seinem Mitglied distanzieren. Der Politiker selbst müsste sein Pult räumen. Zurücktreten. Zu recht!
Tatsächlich sagte ein Politiker sowas, mit dem kleinen aber feinen Unterschied: Statt von Frauen sprach er von Kindern. Und erzählte, wie er selbst das auch schon getan hat. Damals als sein Kind nicht schön gegessen habe. Und beendete damit, dass so ein Schlag den Kindern gut tun würde. Damit verteidigte Körperstrafen in der Erziehung. Und das zur besten Sendezeit. Auf Telezüri. Im 21. Jahrhundert. In der Schweiz – einem eigentlich fortgeschrittenen Land. Der Aufschrei blieb aus. Statt zurückzutreten, politisiert er nach wie vor in Bern.
Ein kleiner Disclaimer an dieser Stelle: Falls gute Tischmanieren bei euch auch gerade ein Thema sind, folgt ein Tipp am Ende dieser Kolumne.
Aber zuerst möchte ich in die Runde fragen: Müssen wir heute ernsthaft darüber diskutieren, ob wir Kindern weh tun dürfen? Wie können wir Gewalt an Erwachsenen verpönen und bestrafen, gegenüber Kindern aber legitimieren und beschönigen? Wenn Gewalt Erwachsenen schadet, dann schadet sie Kindern doch viel mehr! Weil sie eben Kinder sind – ergo klein, wehrlos und von uns am Lernen.
Gewalt in der Kindererziehung endlich im ZGB verbieten
Der besagte Politiker wetterte gegen die Online-Petition Gewaltfreie Erziehung. Eine Petition, die Körperstrafen und psychische Gewalt an Kindern im ZGB verbieten will. Denn peinlicherweise fehlt solch ein Gesetz in der Schweiz. Einmal mehr bilden wir ein politisches Schlusslicht. Wie damals beim Frauenstimmrecht, als wir die Letzten waren, die es annahmen.
Und erschreckend ähnlich wird über Gewaltfreie Erziehung politisiert. Dass ein neues Gesetz gar nicht notwendig sei, sagten auch schon die Gegner des Frauenstimmrechts. Dazu warnten sie uns vor den schlimmen Folgen des Frauenstimmrechts – genau wie heute mit vermeintlich negativen Folgen des Gesetzes für Gewaltfreie Erziehung argumentiert wird. Dabei sehen wir die echten Folgen dieses Gesetzes in Deutschland. Dort hat man es im Jahr 2000 eingeführt. Stieg die Kriminalisierung von Eltern – wie das hierzulande befürchtet wird – an? Nein. Dafür sank die gesellschaftliche Zustimmung für eine Ohrfeige für Kinder. Innert 10 Jahre von 60 auf 20 Prozent.
Liebe statt Gewalt! Setzte ein Zeichen und unterschreibe die Onlinepetition „Gewaltfreie Erziehung“. Es dauert nur zwei Minuten: hier klicken zum unterzeichnen.
Gewalt an Kindern ist real
42 Prozent Schweizer Jugendliche wurden in ihrer Kindheit zu Hause geohrfeigt. Gewaltvolle Erziehung ist also Realität. Und hat Folgen für die ganze Gesellschaft. Denn etliche Studien zeigen auf, dass geschlagene Kinder später eher selbst zuschlagen.
Währenddessen in Bern: «Alles halb so wild! Gewalt an Kindern geht natürlich gar nicht, aber so ein Klaps hat noch keinem geschadet.» so die Mehrheit unserer Politiker und Politikerinnen. Es ist fast so, wie wenn einer sagen würde: «Frauen vergewaltigen geht natürlich gar nicht, aber ein bisschen küssen und grabschen? Das hat noch keiner geschadet.»
Liebe statt Gewalt: Setze jetzt ein Zeichen!
«Am besten ist, Frauen regieren zu Hause, die haben nichts zu politisieren» solche Aussagen finden wir heute im historischen Dossier des SRF. Bleibt zu hoffen, dass es unser «Tätsch uf de Arsch…»-Polemiker ebenfalls ins historische Archiv schaffen wird. Denn ja, Elternsein ist alles andere als einfach. Kann ich als zweifache Mutter gerne bestätigen. Aber nur weil wir Eltern überfordert sind, dürfen wir das nicht an den Kindern rauslassen.
Gewalt an Kindern – auch wenn man ihr solch niedliche Namen wie Tätsch gibt – gehört verboten. Es geht hier – genau wie damals beim Frauenstimmrecht – um Menschenrechte. Und genau wie Frauen damals nicht über ihre Rechte abstimmen konnten, können heute Kinder keinen Einfluss auf diese Debatte nehmen. Lange wurde – zu recht – über Gewalt an Frauen gesprochen. Es wäre an der Zeit über Gewalt an Kindern zu reden. Und ein starkes Zeichen dagegen zu setzen. Ein #Metoo für Kinder? Das wäre doch was!
Ach ja. Und was das schöne Essen am Familientisch angeht, sage ich es mit Astrid Lindgren: «Gebt den Kindern Liebe, mehr Liebe und noch mehr Liebe. Dann stellen sich die guten Manieren ganz von selbst ein.»
Mehr Infos zur Onlinepetition „Gewaltfreie Erziehung“
Unterschreibe auch Du die Online-Petition. Wenn wir 10’000 Unterschriften gesammelt haben, geht die Vorlage direkt nach Bern. Wenn wir genug Druck machen, können wir hoffentlich National-, Stände- und Bundesrat überzeugen, dass es diesen Eintrag für gewaltfreie Erziehung im ZGB braucht. Deshalb, bitte ich Dich als allererstes diese Online-Petition zu unterzeichnen, eine Sache von drei Minuten: hier geht’s zur Online-Petition
Ausserdem: Teile diesen Weckruf! Mobilisiere Dein Umfeld und organisiere noch mehr Unterschriften für die Petition. Leite diesen Text und die URL zur Online-Petition weiter an Deine Leute. Nehmen wir uns drei Personen vor: Familie, Arbeitskollegen, alte Schulfreunde, Nachbarn, Freunde von Freunden. Drei SMS hast Du in 3 Minuten verschickt. Schick sie jetzt gleich. Jede Stimme zählt.
Danke für Dein Engagement! Liebe statt Gewalt <3
*Anmerkung der Redaktion:
«En Tätsch uf de Arsch, das tuet de Fraue mängisch guet!» ist Schweizerdeutsch und heisst so viel wie: „Ein Klaps auf den Po, tut Frauen manchmal gut!“
Bildrechte: ©Sondem/stock.adobe.com
Das kann ich nur unterstützen! Ich bin Leiterin einer Kindertagesstätte und es ist traurig was Gewalt gegen Kinder anrichtet! Darüber hinaus frage ich mich, wie wir Kindern vermitteln wollen, dass sie selbst nicht schlagen sollen, obwohl die Erwachsenen es tun?! Der einzige Lerneffekt heißt, wenn ich groß bin, darf ich die Kleineren schlagen. Ich lebe in Deutschland, daher kann ich leider nicht unterschreiben. Wünsche viel Erfolg für diese Kampagne und ganz viel Liebe für eure Kinder. Übrigens: Wer schlägt tut sich meist damit auch selbst weh, es ist legitim Hilfe zu holen. Für sowas gibt es Profis, diese findet ihr bei einer Erziehungsberatung! BriGitte B.
Jap – die Kknderrechte haben dieses Jahr das 30ig jährige Jubiläum. Wir, Kinderschutz24, setzen viel darauf: http://www.nuggi-power.ch
Vielleicht sollten wir gemeinsam die Kinderreche fördern, um mehr Menschen zu erreichen!
Alles Gute
Rinaldo Inäbnit
Kinderschutz24
Es ist zeit!