Ellen Girod spricht mit Kübra Gümüşay am 3.11. in Zürich

Der nächste Live-Podcast findet statt am 3. November. Es wird wieder ein Freitagabend sein und wir treffen uns um 19:00 an der Kirchgasse 14, im grossen Saal meines geliebten Debattierhauses Karl der Grosse. Diesmal holen wir keine andere als Spiegelbestseller-Autorin Kübra Gümüşay nach Zürich: Tickets sichern

In ihrem Buch „Sprache und Sein“ lernte ich u.a. das türkische Wort aciziyet. Gemäss Wörterbüchern lasse sich aciziyet ins Deutsche mit Schwäche, Hilflosigkeit, Unfähigkeit übersetzen. Laut Gümüşay ist diese Übersetzung unzulänglich: „Doch aciziyet bedeutet so viel mehr. Ein Wort, das mich dazu bringt, die Welt von unten zu betrachten. Von ganz unten. Machtlosigkeit und Kraftlosigkeit zu spüren, die Abwesenheit von Möglichkeiten, die Unerreichbarkeit von Dingen zu spüren – und auszuhalten. Dabei empfinde ich diesen Begriff nicht als negativ. Eine merkwürdige Freiheit ist mit ihm verbunden.“

Aciziyet beschreibt etwas, wonach ich mich lange sehne: Diese merkwürdige Freiheit eine unangenehme Situation, der wir ausgesetzt seien, «besonnen wahrzunehmen». Statt sich gedemütigt und unterlegen zu fühlen. Ein sehr hilfreicher Gedanke, wenn es darum geht, die patriarchalen und kapitalistischen Zustände besser zu ertragen.

In meinem Podcast sprach ich im letzten Jahr mit vielen Menschen über strukturelle Diskriminierung, über Unvereinbarkeit und Mental Load, über Erschöpfung von Frauen, über Muttersein und Geld. Die Quintessenz: Die Strukturen müssen sich ändern, nur Politik und Wirtschaft können das Patriarchat stürzen, den Kapitalismus überwinden, eine Ökonomie und Gesellschaft schaffen, die sich an Seelen ausrichtet und nicht am Geld. Und es ist erfreulich, wie vielfältiger und diverser das aktuelle Lineup für die Schweizer Parlamentswahlen dieses Jahr ist, zumindest in meiner urbanen Bubble. Es gibt politisch sehr viel zu tun.

Doch oft frage ich mich: Und wie kommen wir – unpolitisierende Menschen – da raus? Also hier und jetzt? Noch bevor die Politik mitzieht? Bis Carearbeit als Arbeit anerkannt und entschädigt wird, bis die Privilegien hinterfragt werden und nicht als Bedrohung verrufen, bis intersektionales Denken (URL) kein akademisches Konzept ist, sondern Mainstream – bis zu all dem, wird es noch ein Weilchen dauern. Meine Generation ist bis dann schon längst pensioniert. Oder gestorben. Die Generation meiner Kinder vielleicht auch. Was also können wir heute tun, nachdem wir begriffen haben, wie schädlich das Patriarchat und Kapitalismus sind und dennoch darin möglichst unbeschädigt zu leben? Oder sogar besonnen und frei leben? Vielleicht sogar bis hin zu gedeihend oder gar richtig glücklich?

Als ich Gümüşays Buch las, fand ich eine Antwort in ebendieser merkwürdigen Freiheit. Bei aciziyet gehe es darum, die Umstände des Lebens emanzipiert zu akzeptieren, sich nicht gedemütigt unterlegen zu fühlen, sondern das Leben und das, was gerade passiert, respektvoll zu achten. „Vielleicht ist das besonnene, emanzipierte Bewusstsein für unsere Nichtigkeit eine der wenigen Wahrheiten, die wir in ihrer Vollständigkeit erfassen können. Unsere aciziyet.“ schreibt Gümüşay.

Ich bin froh, das türkische Wort aciziyet gefunden zu haben. Ein Wort, ein Gefühl, eine Beschreibung die in der Deutschen Sprache so nicht existieren. Und ich möchte am 3.11. mehr über aciziyet und über diese merkwürdige Freiheit von Kübra Gümüşay erfahren. Es wäre sehr sehr sehr (wie immer dreifach) schön, wenn auch Du mit Deinen Gedanken, Fragen oder einfach nur Präsenz dabei wärst. Sicher Dir Dein Ticket (CHF 15, ermässigt CHF 10) jetzt: Zu den Tickets

Bis vielleicht bald!
Ellen

PS: Kinder (ob im Tragetuch oder schon stehend) sind an diesem Abend willkommen.
PPS: Falls Dir CHF 10.- gerade zu viel sind, melde Dich einfach bei mir. Wir finden eine Lösung.

Kübra Gümüşay

Kübra Gümüşay ist eine der einflussreichsten Autorinnen und Aktivistinnen im deutschsprachigen Raum. In ihrem Buch «Sprache und Sein» folgt sie einer Sehnsucht: Nach einer Sprache, die Menschen nicht auf Kategorien reduziert und Facettenreichtum zulässt.

Ellen Girod

Ellen Girod hat Religionswissenschaften, Ökonomie und Politologie an den Universitäten Basel, Luzern und Zürich studiert. Sie arbeitet als freie Autorin und Podcasterin bei „go hug yourself!“.

Vergangene Live-Podcasts im Karl der Grosse

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