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«Was für ein starker Junge Du bist!» und «Welch schöne Frisur Du hast!». Stereotypen lauern überall. Auch in der Kommunikation mit den Kindern. Zeit das zu ändern.

Versteht mich nicht falsch: Ich finde meine Tochter hübsch. Genau genommen, finde ich sie atemberaubend schön. Manchmal schaut sie mir in die Augen und mein Herz bleibt fast stehen. Weil, diese Wimpern. Und dennoch möchte ich, dass die Welt aufhört ihr ihr Äusseres ständig um die Ohren zu hauen.

Ich selber wusste es auch lange nicht besser. Als ich kinderlos war, schenkte ich meinen schwangeren Freundinnen rosa Strampler, weil sie ein Mädchen erwartete. Die Babyabteilungen machten es klar: Hier Rosa mit Blümchen für Mädchen. Da Hellblau mit Schiffen für Buben. Entsprechend sagte ich Dinge, ohne viel zu überlegen. Dinge, die ich eigentlich gut meinte. Wenn ich eine Freundin und ihre Tochter traf, sagte ich zum Kind: «Ach, hast Du ein schönes Röckchen!» Traf ich eine andere Freundin und ihren Sohn: «Hey, du bist aber gross und stark!».

Und dann wurde ich selbst Mutter. Und stellte fest, wie problematisch das alles ist. Denn mittlerweile hört meine dreijährige Tochter von ihrem Umfeld fast nur noch: „Welch schöne Frisur/Jacke/Shirt Du da hast!“ Und mittlerweile ist sie in dem Alter, in dem sie merkt, dass ihre Kleider oder Haarspangen eine Auswirkung drauf haben, was wir zu ihr sagen.

Stereotypen lauern überall

Was wir zu unseren Kindern sagen, zeigt wie wir Mädchen und Buben sehen. Als meine Tochter kürzlich im Spielwarenladen den blauen statt den rosa Ballon wollte, war die Verkäuferin verdutzt. Als wir auf den Lift warteten, stellte sich die andere, ältere Verkäuferin breitbeinig vor meine Tochter, hielt ihr den pinken Ballon entgegen und fragte «Bist Du sicher, dass du nicht diesen willst?» Meine Tochter sah sie schweigend an, der blaue Ballon fest in der Hand. Ich bedankte mich erneut für den blauen Ballon, sagte, dass es uns mit dieser Farbe bestens geht und war froh, als der Lift endlich kam.

Einen Stock weiter oben, mussten wir uns anhören, wie eine Frau zu einem Jungen sagte: «Dann schliess halt die Augen, wenn Du all das rosa Mädchenzeug nicht sehen willst, wir sind gleich bei den Legos.» Und als meine Tochter schliesslich das von ihr ausgesuchte Spielzeug – ein kleines Postauto – in ihre Spielgruppe brachte, begrüsste sie die Erzieherin mit einem: «Wow, ein Postauto, da werden sich unsere Jungs aber freuen!»

Alles halb so schlimm?

Jungs spielen nun mal gerne mit Postautos, lasst sie doch einfach sein. Könnte man sagen. Genau darüber entbrannte neulich eine Diskussion in meinem Freundeskreis: Man soll Kinder einfach Kinder sein lassen und sie genauso wenig in dieses Anti-Gender-Ding hineinpressen wollen, wie ins Prinzessinen-Piraten-Schema. Ich kann diese Reaktion verstehen. Auch ich bin dafür, dass wir Kindern freie Wahl lassen. Ins andere Extrem abdriften, kann nur einschränkend und kontraproduktiv sein.

Aber wenn die ganze Welt um sie herum meine Töchter eben doch in die Rosa-Kiste zwingt, muss ich Gegensteuer geben. In Hoffnung, dass sie eines Tages frei entscheiden können. Und irgendwo zwischen all dem Rosa und Hellblau ihr eigenen Töne entdecken. Unvoreingenommen ihren eigenen Weg gehen, ihre Stärken und Interessen verfolgen. Denn dieses scheinbar harmlose Rosa-hübsch-Ding ist nur der Anfang.

  • Puzzle für Mädchen haben weniger Teile als dieselben für Jungs (1). Legospiele für Mädchen sind weniger komplex als diejenigen für Jungs (2).
  • Weibliche Heldinnen kommen nur in jedem 5. Kinderbuch vor (3)
  • H&M-Leggings für 5-Jährige sind bereits so eng geschnitten, dass meine 3-Jährige nur mit Mühe reinpasst.
  • Bravo Mädchen erteilt Tipps für einen sexy Körper (4). An 12-Jährige.
  • Bereits 5 bis 8-Jährige sind mit ihren Körper unzufrieden und wissen, was eine Diät ist (5).
  • Eine Umfrage von 102 Mädchen im Alter zwischen 3 und 5 ergab, dass 3-Jährige Dünnsein als etwas Positives assoziieren (6). Dreijährige.

Wir drücken der zukünftigen Generation unsere Stereotypen der Vergangenheit auf. Und wundern uns, weshalb Frauen in technischen Berufen in der Minderheit sind. Das Krasse dabei: Vieles geschieht unbewusst, auch feministisch denkende Leute tappen in stereotype Fallen. Mädchenhaft gekleideten Jungs werden Puppen gereicht und bubenhaft angezogenen Mädchen Autos (7). Meine jüngste Tochter (mit kurzen Haaren) wird von meinem Umfeld immer wieder als Bub angesprochen, weil ich sie nicht von Kopf bis Fuss in Rosa kleide.

Treiben wir unsere Mädchen ins Unglück?

Rosa für Mädchen. Blau für Jungs. Das hätten wir doch längst überwinden sollen. Und doch suggeriert die Gesellschaft unseren Kindern, dass Schönheit etwas weibliches sei. Und Stärke etwas männliches. Bald werden unsere Mädchen zu Frauen. Und auf sie wartet eine Welt, die ohnehin vom Aussehen besessen ist. Und deshalb frage ich mich: Was passiert, wenn sie gelernt haben, dass ihr Aussehen – und nicht wer sie sind oder was sie zu sagen haben – als allererstes bemerkt wird? Kann es sein, dass es ihnen wichtiger sein wird, schön zu sein, statt stark, klug und unabhängig? Kann es sein, dass wir unsere Mädchen ins Unglück treiben? Ich sage nicht, dass ich die Antwort drauf habe. Ich stelle nur die Fragen.

Hören wir auf Stereotypen auf unsere Kinder zu projizieren

Ich möchte nicht, dass meine Mädchen in einer Welt aufwachsen, in der sie hübsch, nett und brav sein müssen. Ich möchte, dass sie ihre Haarspangen tragen, weil sie Freude dran haben. Und nicht um den anderen zu gefallen. Ich möchte, dass sie mit Postautos oder Puppen spielen, weil sie es interessant finden. Und nicht weil es ihnen so beigebracht wurde.

Ich möchte ihnen nicht unsere Bilder von Frau und Mann aufdrücken. Und ich möchte bei der Sprache beginnen. Denn die Sprache prägt unsere Gedanken, unsere Taten und unser Leben. Und deshalb ist es an der Zeit unseren Smalltalk mit Kindern zu reflektieren. Es ist an der Zeit, dass wir die Art und Weise wie wir Mädchen und Buben sehen, ändern.

Ich will, dass meine Mädchen in einer Welt aufwachsen in der Jungs weinen dürfen. Und die Hauptaufgabe von Frauen nicht darin besteht, hübsch zu sein. Unsere Mädchen sind hübsch. Keine Frage. Aber sie sind auch noch clever. Lustig. Stark. Wild. Erfinderisch. Frech. Wissensdurstig. Laut. Eloquent. Schnell. Mutig. Und deshalb bitte: Nennt meine Tochter nicht hübsch.


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