Stillen in der Öffentlichkeit ist okay! Stillfotos auf Facebook machen das klar und deutlich. Und wer Mütter wegen Stillfotos sexuell belästigt, muss angezeigt werden.
Bild: ©Simona Dietiker
Neulich auf Facebook. Ich erhielt eine Freundschaftsanfrage von einem Unbekannten, der zeitgleich eine Anfrage für unsere Stillgruppe (in der ich Admin bin) stellte. Das machte mich stutzig und deshalb liess ich mich auf einen Chat* ein.
Er: „Hi, wie geht’s Dir?“ Smiley
Ich: „Kennen wir uns?“
Er: „Nein. Aber ich finde Dich spannend.“ Smiley „Und ich finde das Stillen und alles drum herum sehr interessant.“ Smiley
Ich: „Danke. Wie Du bestimmt gesehen hast, bin ich verheiratet. Und somit nicht interessiert. Und unsere Stillgruppe ist nur für Frauen. Alles Gute.“
Er: „Ja, ich weiss. Bist vergeben. Schade. Ich dachte, dass Du sehr offen seist, weil Du Dich ja so offen beim Stillen zeigst.“
Ich: „Ich weiss nicht worauf Du hinauswillst, aber ich bin nicht interessiert an neuen Kontakten. Ich bitte Dich mich jetzt in Ruhe zu lassen.“
*Der Chatverlauf wurde hier nicht im genauen Wortlaut wiedergegeben, sondern in abgeänderter Form mehrerer solcher Chats.
Sexuelle Belästigung hat viele Gesichter
Das Gespräch nahm dann doch eine seltsame Wendung. Weil ich mich so offen beim Stillen zeige, hätte er gedacht, ich sei bestimmt sehr offen. Ich hegte den ersten Verdacht in welche Richtung sich das Gespräch entwickeln würde. Und teilte ihm ehrlich mit, dass es sich für mich nach einem Fetisch anhört, ich dafür aber definitiv nicht offen sei.
Er reagierte erstaunt und ich hatte dabei fast ein schlechtes Gewissen. Dann folgte von ihm ein längerer Text, dass es doch toll sei, wenn sich auch kinderlose Männer fürs Stillen interessieren würden. Er fände es eine spannende Sache und sei sehr neugierig. Ich erklärte ihm, dass Brüste primär zur Ernährung von Babys bestimmt seien und nicht zur sexuellen Befriedigung. Und gab ihm Literaturtipps. Er liess nicht locker. Das löste in mir Unbehagen aus. Obwohl ich mehrmals klar und deutlich geäussert habe, dass ich dafür nicht offen bin und dies nicht möchte, bohrte er weiter.
Er schrieb mir, dass er gerne mal saugen würde, wenn er könnte. Und betonte mehrmals, das sei voll normal. Und dass ich mit unmoralischen Anfragen doch rechnen müsse, wenn ich solche Bilder auf meinem Profil poste. Als ich mich verabschiedete, wurde ich als nicht offen und verklemmt betitelt. Und was ich am aller schlimmsten finde: Er machte mich verantwortlich. Wenn ich keine solche Anfragen erhalten möchte, müsse ich halt auch keine Stillbilder auf meinem Profil haben. Danach habe ich ihn blockiert.
Stillen in der Öffentlichkeit ist okay!
Dieses Erlebnis hat mich sehr nachdenklich gestimmt. Ja, ich habe einige, wie ich finde, sehr schöne Stillbilder auf meinem FB-Profil. Stilvoll fotografiert und professionell bearbeitet. Öffentlich einsehbar. Absichtlich. Nicht um mich oder meine Kinder zur Schau zu stellen. Nicht um zu provozieren. Und schon gar nicht als Angebot an fremde Männer, sie zu stillen. Nein, es ist mein persönlicher Beitrag dazu, dass Stillen in der Öffentlichkeit normal wird. Auch auf Facebook.
Wie kommt nun dieser Mann drauf, dass ich damit einlade, fremde Männer zu stillen? Wenn ich ein Bild von mir mit einem Eis poste, will ich dann Männer einladen, mir ihren Penis in den Mund zu stecken? Wenn eine Frau einen Minirock trägt, will sie Männer einladen, sie zu vergewaltigen? Was für eine sexistische Scheisse ist das bitte?!
Für einen Moment lang überlegte ich mir tatsächlich meine Stillbilder zu verbergen. Aber wisst ihr was? Einen Teufel werde ich tun! Nein, grad extra und zum Trotz nicht! Denn NEIN, es ist KEINE Einladung! Ich habe nichts Falsches gemacht, das einzig Falsche war seine Interpretation. Und deshalb werde ich meine Bilder bestimmt nicht verbergen. Ich kann nichts dafür, dass es Menschen gibt, die keinen Anstand haben. Keinen Respekt. Und ich lasse mich von denen sicher nicht klein machen.
Ein Stillbild ist keine Einladung
Ich lasse mich nicht einschüchtern. Aber viele Frauen tun das täglich. Viel zu oft sehen wir uns mit Sexismus konfrontiert. Ob am Arbeitsplatz, im Bus, an der Bar oder eben auf Facebook. Oft nehmen wir es einfach so hin. Verstecken uns. Kleiden uns wegen Kommentaren anders. Verbergen unsere Bilder. Aber das müssen wir nicht. Denn wenn wir uns einschüchtern lassen, geben wir ihnen Macht. Sie denken, sie wären im Recht. Und das will ich nicht.
Stillen in der Öffentlichkeit ist vollkommen okay. Und ein Stillbild gibt keinem Menschen das Recht zu denken, eine Frau sei offen für seine sexuellen Fantasien. Und die, die das denken, müssen die Wahrheit begreifen. Ich möchte deshalb ein Zeichen setzen. Ein Zeichen, gegen sexuelle Belästigung im Netz. Ein Zeichen, dass wir uns sowas nicht gefallen lassen müssen. Und ich habe den ersten Schritt getan.
Sexuelle Belästigung im Netz gehört angezeigt
Zwei Tage später ging ich zur Polizei. Ich zeigte diesen Mann wegen sexueller Belästigung an. Ich muss ehrlich sagen: Als ich auf dem Polizeiposten stand, hatte ich tatsächlich Schiss. Was, wenn die Beamten mich lächerlich finden? Oder gar fänden, ich sei mit solchen Bildern halt wirklich selbst schuld?
Aber meine Sorge war unbegründet. Der Polizist war sehr verständnisvoll, höflich und hat mich umfassend aufgeklärt. Ich fühlte mich bestärkt. Er hat mein Anliegen ernst genommen und seriös behandelt. Übrigens stillte ich während dieses Gesprächs.
Der Polizist fand es gut, dass ich mich gemeldet habe. Denn sollte den Herrn jemals eine andere Frau in die Richtung anzeigen, wird meine Anzeige dem Ganzen mehr Gewicht geben. Der Herr erhält nun eine Vorladung, um eine Aussage zu machen. Nach dem Gespräch gab mir der Polizist seine Karte, falls mich der Herr nach Erhalt der Vorladung wieder kontaktieren sollte.
Ich habe diese Anzeige nicht für mich gemacht. Ich kann mein Leben genau so weiter leben wie vorher. Aber viele Frauen hätten sich dadurch einschüchtern lassen. Für euch habe ich das gemacht. Kein Mensch hat das Recht dazu, jemanden einzuschüchtern.
Findest Du diesen Beitrag wichtig? Wenn ja, bitte teile, kommentiere und like ihn auf Facebook. Oder nimm ihn mit auf Pinterest, hier ist Dein Pin:
- Frauennot-Telefon: Opferhilfe für Frauen vertraulich, kostenlos (und auf Wunsch anonym), www.frauennottelefon.ch
- Frauenberatung: Kostenlose und vertrauliche Beratungen für Opfer von sexueller Gewalt (sexuelle Belästigung zählt dazu) in Zürich, www.frauenberatung.ch
- Überblick über Opferberatungsstellen in der ganzen Schweiz: www.feel-ok.ch
Das Titelbild hat die Familienfotografin Simona Dietiker on Momoland Photo gemacht.