Die Sozial- und Sexualpädagogin Tina Reigel gewährt einen positiven Blick auf Sexualität für Kinder und Jugendliche, und auch Eltern.
Dieses Gespräch entstand im Rahmen eines Interviews für das Schweizer Magazin wireltern.ch
Viva la Vulva – weibliche Genitalien zu feieren, ist längst ein Trend. Doch viele Eltern lernen diesen positiven Blick auf Vulven (und auch auf Sex) erst mit ihren Kindern mit. Ich fragte Tina Reigel: Wie bleibt man da authentisch im Gespräch mit dem Kind? Können wir mit (Sexual-)erziehung das Patriarchat stürzen? Und: Wie kommen Eltern von Kleinkindern zu regelmässigem Sex?
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(Im Podcast besprochene URLs und Ressourcen)
- Tina Reigels Instagram: @littlefellow
- Tina Reigels Webseite (sie berät Eltern sowie Pädagog*innen): littlefellow.ch
- Ellens Blog: chezmamapoule.com
- Ellens Insta: @chezmamapoule
- Feministische Pornos und Hörbücher: Femtasy, Erika Lust, Getcheex.ch
- Dokus: OMG Yes, Female Pleasure, Sex Love & Goop
- Yoni-Kurse: wayofheart.ch, daniaschiftan.ch (Orgasmustraining online)
- Aufklärungsbücher für Kinder: „Von wegen Bienchen und Blümchen!“ Müller et al.; „Klär mich auf!“ von der Gathen & Kuhl; „Ein Baby! Wie eine Familie entsteht“ Rachel Greener; „Wie siehst Du denn aus?“ Sonja Eismann; «Lina die Entdeckerin» Katharina Schönborn-Hotter
- Sonstige Quellen: editionf.com > Interview mit Gunda Windmüller; dasmagazin.ch > Warum heissen Schamlippen so; thevulvagallery.com
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(Transkript des Gespräches, leicht redigiert für mehr Klarheit.)
Ellen Girod: Was würdest du empfehlen, ab welchem Alter soll man die Kinder aufklären?
Tina Reigel: Das klassische Aufklärungsgespräch gibt es nicht mehr, das wird nicht empfohlen. Das ist komisch, irritierend und aus dem Kontext gerissen. Man spricht heute von Sexualerziehung ab Geburt. Ein sexuelles Wesen bist du bereits im Bauch. Dieser Erregungseffekt, dass Blut in die Genitalien einströmt, funktioniert schon, du kannst bereits eine Erektion haben. Bei den Jungs ist es sichtbarer als bei den Mädchen. Beim Baby kannst du z.B. beim Waschen die Tätigkeiten kommunizieren, welche du machst wie «jetzt nehme ich dich auf, jetzt lege ich dich wieder ab». Dabei kannst du auch die Genitalien erwähnen, wenn du die Vulva, den Penis oder die Hoden wäschst. All dies kann benannt und das Kind miteinbezogen werden, auch wenn zu Beginn noch nicht viel Reaktion oder Interaktion geschieht. So können den Kindern diese Kompetenzen von Anfang an mitgegeben werden.
Für viele ist es auch ungewohnt, wenn man von Vulva oder Penis spricht. Was hältst du von den Bezeichnungen wie «Schnäggli» oder «Schnäbeli»?
Ich finde es kann unterschieden werden in die familieninterne Sprache, wo z.B. gesagt wird «bissts am Pfiffeli», aber das Kind soll wissen, wie diese Geschlechtsteile heissen: Penis und Vulva. So wird es zu einer klaren Sprache. Das sind wieder wir Erwachsenen, welche das Gefühl haben, bei einem kleinen Mädchen nicht von einer Vulva sprechen zu können. Aber das Kind lernt es einfach so.
Wir Erwachsenen lernen es oft auch jetzt erst dank der Bewegung «Viva la Vulva». Auch ich habe vor 5 Jahren nicht von einer Vulva gesprochen, sondern von Scheide oder Schambereich. Bis mir bewusst wurde, dass die weiblichen Genitalien so schambehaftet sind. Warum entstanden diese Begriffe, weisst du das?
Irgendeinmal in der Zeit fingen Künstler an, Penisse schön darzustellen und der Intimbereich bei den Frauen dagegen wurde immer verdeckter gehalten. Sie hatten z.B. die Beine gekreuzt, das sollte schön und unberührt wirken. Es hat auch mit religiösen Themen der Reinheit, der Heiligen und Unberührten zu tun. Das ganze Thema mit der Jungfräulichkeit, müsste in einem weiteren Gespräch aufgegriffen werden. Der Mythos um das Hymen, welches in Wahrheit nichts mit der Jungfräulichkeit zu tun hat. Das kann man daran auch gar nicht erkennen. Dies ist ein grosser Stress auf beiden Seiten, wenn es darum geht, dass alles «ganz» sein soll.
Das ist das Schöne am Elternsein. Es ist eigentlich eine Selbstentwicklungsreise. Die Kinder lernen einem sehr viel über einem selbst. Und trotzdem möchte ich meiner Tochter nicht sagen, dass dies das Schambein oder die Schamlippe ist und muss es ja doch benennen. Gibt es da empowerndere Begriffe?
Das ist der Venushügel und Intimhaare oder Genitalbehaarung, du kannst auch von Labien sprechen. Es gibt nicht die grösseren und kleineren Labien, sondern man spricht von inneren und äusseren. Weil wie wir mittlerweile wissen – oder viele Frauen wissen das gar nicht – ist es nicht bei allen Frauen gleich. Es ist so unterschiedlich wie die Lippen im Gesicht. Es ist sehr individuell, wie die Labien aussehen. Hier besteht ein grosses Unwissen. Auch auf dem Schönheitsmarkt läuft einiges, dass man dies operieren lässt. Labien tönt eher etwas medizinisch, es könnte auch der Begriff Vulvalippen verwendet werden. Weiter gibt es die Klitoris, die Klitorisvorhaut oder auch Kapuze genannt. Denn die Klitoris ist ja etwas zugedeckt. Dann gibt es die Harnröhrenöffnung sowie den Vaginaeingang.
Damit könnte man ein schönes Bild für Instagram machen, wie man die Genitalien richtig benennen soll. (Übrigens fand ich dein Knet-Do it yourself genial. Vielleicht kann ich das einmal teilen bei mir -> evt mit Verweis nutzbar? Sonst rauslöschen)
Ja das kann man nie genug betonen. Auch bei uns in der Ausbildung haben wir über die Bezeichnungen gelacht. Scheidenpilz, wo befindet sich denn der Pilz genau, in der Vagina, in der Vulva? Vulvapilz versteht dann der Apotheker oder die Apothekerin nicht. Es ist, wie wenn man eine Fremdsprache lernt, du musst die Begriffe neu verinnerlichen. Wenn dir einmal Scheide herausrutscht oder du sagts «Pfiffeli» einpacken, ist das nicht schlimm. Das Kind soll jedoch die richtigen Begriffe kennen. Aber es soll nicht so sein, dass dann noch weniger über die Körperteile gesprochen wird aus Angst, etwas Falsches zu sagen.
Scheidenpilz ist eklig, Mens sind eklig: Es gibt noch viel zu tun, gerade aus feministischer Perspektive. Ich möchte gerne noch auf die Entstehung von Leben, also Sex zu sprechen kommen. Es gibt ja oft noch die Ammenmärchen vom Storch, da würdest du wahrscheinlich auch davon abraten, oder?
Das kannst du als Familie entscheiden. Es kommt sehr darauf an, welchen Bezug du als Familie zum Leben hast. Es gibt Familien, die glauben an das Leben nach dem Tod, usw. Wir sagen in unserer Familie z.B. ja, da wart ihr noch bei den Sternen und dann seid ihr irgendwann hierhin gekommen. Das erzählen wir dann auch im Spass, denn sie wissen, dass es eine Geschichte ist. Da habe ich eine klare Haltung: Meine Kinder wissen, dass das mit dem Samichlaus eine Geschichte ist. Aber dies hat auch mit der Haltung allgemein zu tun und der Frage, wozu setzt du diese Geschichte ein. Traust du dich z.B. nicht die Wahrheit zu sagen oder findest du, die Kinder sind noch zu klein dafür oder ist das sonst einfach eine Geschichte, so eine Familiengeschichte. Ich bin dafür, dass man ganz klar erklärt, wie ein Kind entsteht. Dafür braucht es eine Samenzelle, eine Eizelle. Das eine ist beim Mann in der Hode und das andere bei der Frau im Bauch. Je kleiner das Kind, desto einfachere Wörter kann man benutzen. Manchmal merkt man, dass dies dem Kind bereits reicht. Andere Kinder fragen dann weiter: und dann? Dann kann man weiterfahren: Die Samenzelle muss zur Eizelle kommen, da gibt es verschiedene Möglichkeiten, eine ist z.B., dass die Vagina den Penis aufnimmt. Das Bild finde ich auch schöner, statt dass der Penis in die Vagina geht. Bei der Frau hat es eine Öffnung, der Mann hat einen Penis, welcher da hineinpasst. In einem Buch ist es auch schön beschrieben, wie Filzstift und Deckel, die passen auch zusammen. Aber die Vagina nimmt den Penis auf, das ist so Konsens, wenn Mann und Frau das möchten, können sie verschmelzen.
Wichtig erscheint mir auch, dass man den Fragen folgt und das Kind nicht einfach zutextet. Es sind auch Themen, welche heteronormativ sind. Ab wann soll man dies thematisieren, dass es z.B. künstliche Befruchtung oder Adoption gibt? Das Kind stellt sich diese Fragen vielleicht nie, weil es in der Familie nicht die Möglichkeit gibt auch andere Modelle kennenzulernen.
Das kann man auch laufend machen, z. B. wenn man unterwegs und dabei achtsam ist. So zwischen 2 und 3 Jahren kommen die Kinder mit der Unterscheidung in Kategorien von Mann und Frau. Mein Sohn fand gestern z.B. bei einem Mann mit Kopftuch und einem Totenkopfpulli, das sei wohl ein Pirat. So kann man auch neugierig sein und mitbeobachten und dann erklären, das könnten auch zwei Papis sein, welche mit dem Kind spielen. Wenn ein Kind nie fragt, auch nicht wie Babys entstehen, könnte ab Kindergartenalter ein Buch dazu gekauft und hingelegt werden. Allenfalls das Kind darauf hinweisen, ob es das Buch zusammen anschauen möchte. Wenn man als Eltern die Kinder im Alltag aufklärt, weiss man auch, was sie mit auf den Weg erhalten. Je kleiner das Kind ist, desto mehr holt es die Informationen bei dir. Je grösser sie werden, so ab 7 oder 8 Jahren wird es etwas ruhiger um dieses Thema. Es verschwindet nicht, sondern es ist mehr im Verborgenen. Nachher taucht das Thema eher über die Peer-Group oder Lehrpersonen auf. Später kommt die natürliche Ablösung vom Elternhaus, sie vergleichen sich immer mehr mit Gleichaltrigen, schauen im Internet und holen sich da ihre Informationen.
Darum ist dies ein laufender Prozess, der richtige Moment ist jederzeit. Du musst aber auch schauen, dass du dein Kind nicht überhäufst und ständig schaust, dass du solche Situationen findest. Du sollst nicht panisch werden und denken, jede Gelegenheit nutzen zu müssen, um das Kind aufzuklären. Du kannst auch einmal sagen, dass du noch darüber nachdenken musst und dann darauf zurückkommen wirst.
Den Zugang finde ich super, dass man nicht immer den Druck hat, ein wandelndes Lexikon sein zu müssen. Ich sage oft, dass dies eine gute Frage sei und ob wir es zusammen herausfinden wollen. So lernen sie auch, dass das Wissen nicht abschliessend ist. Was mich stark beschäftigt hat, ist die ganze Schambehaftung der weiblichen Genitalien. Ich merkte aber auch, dass dies eher mein Thema ist. Wenn mein Mann das Wort Schamhaar benutzte, fand ich dann hui, das ist patriarchale Erziehung. Aber die Kinder nehmen dies nicht so wertend wahr wie wir. Das finde ich eine Herausforderung, die eigene Brille abzuziehen und sich zu überlegen, was das Kind interessiert. Du hast die Phase des Altersfensters erwähnt, in welchem die Kinder zu einem kommen. Das ist bei uns hochaktuell. Gerade wenn Kinder in den Kindergarten kommen, bringen sie spannende Begriffe nachhause wie z.B. FY. Oder auch H-Sohn oder harmlosere Wörter wie «geil». Meine Tochter hat kürzlich dieses Wort benutzt und ich fragte mich dann, wie ich damit umgehe. Beginnst du da auch schon, den sexuellen Hintergrund zu erläutern? Wie würdest du das angehen?
Nicht als ersten Impuls. Denn der Begriff ist sehr vielschichtig. Der Kindergarten ist eine spannende Phase mit Gruppendynamiken oder Inputs, welche über ältere Geschwister kommen. Da kann man sagen, «ah hast du ein neues Wort?». Da würde ich zunächst schauen, in welcher Intensität dies genutzt wird. Oft ist es eher ein Spiel mit dieser Spannung und Entspannung, welche auch zur sexuellen Entwicklung gehört. Es geht um ein Provozieren, um in einen Dialog zu kommen und zu schauen, wie andere wie die Kindergärtnerin oder die Eltern darauf reagieren. Es geht um viel mehr als das Inhaltliche. Man kann dann sagen, «ah spannendes Wort». Es gibt auch Eltern, welche da gleich abblocken und finden, solche Wörter sagt man nicht. Man sollte da wirklich erklären, weshalb man solche Worte nicht sagt. Da ist man bereits am Reflektieren, was will mir mein Kind damit sagen, welches Bedürfnis steckt dahinter und ins Gespräch kommen. Beim Wort «geil» kann man auch erklären, dass das Wort früher in einem anderen Zusammenhang gebraucht wurde und ältere Leute dabei eher zusammenschrecken, weil es mit Sexualität zu tun hatte. Heute wird es in einem anderen Zusammenhang gebraucht.
Wie würdest du das Wort «geil» erklären, würdest du da sagen, dass dies ist, wenn zwei Personen miteinander Sex haben wollen? Wie würdest du das einem Vierjährigen erklären?
Nein. Die Kognition kommt bei Kindern erst so mit 5 oder 6 Jahren, die Empathie kommt noch viel später. Was ich manchmal sage ist, dass Leute dieses Wort unterschiedlich kennen und verstehen und dass es mit Nacktheit zu tun hat. Aber ich würde nicht ins technische Detail gehen. Beim Ausdruck FY ist interessant zu erwähnen, dass viele Wörter, die schambehaftet sind, nicht in der Muttersprache sind. Dazu gehört auch Pussy. Wenn du es in deiner Muttersprache sagen würdest, hat es eine ganz andere Wirkung. «Figgen» bedeutet eigentlich das Reiben eines Schwertes in einem Sack, um es zu schleifen. So kann man dies auch unaufgeregt erzählen. Es gibt nicht die richtige Lösung, wie mit solchen Ausdrücken umgegangen werden soll. Ich würde als ersten Aspekt nicht direkt in die Aufklärung gehen. Dabei soll auch die Entwicklungsstufe berücksichtigt werden. Mit 4 Jahren steht z.B. eher der Umgang mit Sprache und Provokation an.
Wie würdest du als Lehrperson mit dem Begriff «Fuck you» in der Klasse umgehen?
Das ist auch sehr vielschichtig. Die Kinder wollen oft die Beziehung abchecken zur Person, Jungs machen dies noch öfters als Mädchen. Mädchen suchen die Aufmerksamkeit oft indem sie sich anpassen, freundlich und hilfsbereit sind. Jungs versuchen es oft über einen anderen Weg, indem sie sich einfach mal rotzig aufführen und dann schauen, ob du ein Gegenüber bist, das autoritär reagiert oder auf das Verhalten eingeht. In solchen Situationen kann man soziale Regeln anschauen und besprechen, wie man respektvoll miteinander umgehen möchte. «So sprechen wir hier nicht miteinander, aber du hast diese oder diese Möglichkeit». Es kann auch als Gruppenthema aufgenommen werden, oft hat es auch mit der Gruppendynamik zu tun.
Wie gehst du mit Wörtern der Fäkalsprache um?
Bei der Fäkalsprache kannst du z.B. auch sagen, «wow das ist ein starkes Wort, das haut mich ja gerade um». Da kannst du spielerisch damit umgehen und fragen, ob das Kind auch anders stark sein kann. Du kannst z.B. eine Kissenschlacht machen und das Thema umleiten, die Ebene wechseln. Das Kind merkt, dass du darauf eingehst, aber auch einen lockeren Umgang damit hast. Die Kinder dürfen auch lachen dabei.
Du bist Sexualpädagogin, dir fällt diese Sprache leichter. Hast du Empfehlungen oder Bücher für Eltern, welche da nicht so geübt sind?
Ja es gibt grossartige Bücher, z.B. «Klär mich auf» ab 8 Jahren, dann gibt es «Klär mich noch mehr auf», das ist ab 10 Jahren. Da sind 101 Fragen drin, welche kurz und bündig beantwortet werden. Dann gibt es noch «Von wegen Blümchen und Bienchen», dieses Buch ist ab 5 Jahren. Darin geht es um Geschlechtsverkehr, dass Sex auch kuscheln ist und berücksichtigt auch gleichgeschlechtliche Paare.
Noch einmal zurück zur Entstehung von Leben: Wie reagieren wir, wenn ein Kind uns beim Sex erwischt?
Da geht es um das Thema Spannung und Entspannung in der Sexualität. Das kann man gleich perfekt anwenden, indem man sich dabei als Eltern entspannt. Da empfehle ich, sich als Eltern abzusprechen und sich zu überlegen, wie man in einer solchen Situation reagieren würde. Mein Rat wäre, möglichst ruhig zu bleiben, die Decke hochzuziehen, sich ruhig hinlegen und das Kind fragen, ob es noch etwas braucht. Nicht das Kind wegscheuchen oder nervös werden. Sich Zeit lassen und sagen, dass man gleich zum Kind kommt. Nachher muss man jedoch nicht darüber sprechen und gross erklären. Sondern einfach fragen, was es braucht, z.B. etwas zu trinken. Bei einer anderen Gelegenheit kann man dann ein Buch dazunehmen und erklären, dass wenn zwei Personen sich nah sein und spüren wollen, dass sie dann manchmal aufgeregt oder wild sind und dass das ganz normal ist. Kinder können oft die Geräusche nicht einordnen, welche sie von den Eltern hören während dem Sex. Die empfohlene Haltung ist so, dass das Kind an der eigenen Sexualität nicht teilhaben soll. Umarmen und küssen kann man schon erklären, aber Sexualität ist intim und man will auch nicht über alles sprechen. Als Eltern soll man sich da auch abgrenzen.
Apropos abgrenzen, es ist wahrscheinlich schon zu empfehlen, dass das Kind einem dabei nicht hört?
Wenn sie noch kleine Babys sind, ist das ok. Aber wenn sie grösser werden, sollen sie nicht dabei sein, auch wenn sie schlafen. Weil man nie weiss, ob sie nicht doch aufwachen. Auch wenn es die Eltern nicht stört, das Kind hat ein Recht darauf nicht dabei sein zu müssen. Die Eltern haben auch ein Recht auf ihren intimen Rahmen. Es gibt auch Eltern, welche als Regel haben, dass wenn die Schlafzimmertür zu ist, niemand reinkommt. Genauso wie dies bei den Kindern respektiert wird, soll dies auch bei den Eltern respektiert werden. Meistens lebt man aber die partnerschaftliche Sexualität schon, wenn die Kinder nicht da sind oder wenn die Kinder schlafen. Dies ist auch für die Entspannung v.a. der Frauen empfehlenswert.
Hast du noch Tipps, wie Eltern von v.a. Kleinkindern überhaupt noch zu Sex kommen?
Zeitlich, energiemässig oder lustmässig?
Alles, auch nur schon rein technisch.
Ein Date vereinbaren, indem die Kinder auswärts sind oder z.B. am Abend, wenn die Kinder schlafen. Du kannst beurteilen, ob die Kinder z.B. eher kurz nach dem Einschlafen, zu späteren Stunden oder gar nie ruhig schlafen. Zu dieser Zeit beginnt das Date und da wäre es auch möglich Sex zu haben.
Geht da nicht die Spontanität verloren?
Das Ernüchternde ist, dass die Spontanität der Sexualität sowieso abnimmt nach rund eineinhalb Jahren Beziehung. Natürlich, ohne Kinder sehen die Signale noch etwas anders aus, da reagiert man noch anders und lässt sich nicht so schnell ablenken. Aber unabhängig davon geht man davon aus, dass es die ersten eineinhalb Jahre noch spontan ist und man sich dann auch zu einem Date trifft, man nimmt es einfach noch nicht so wahr. Und später braucht es einfach mehr Aufwand, um am Thema Sexualität dranzubleiben. Wenn man es nicht plant, geht es eher unter. Bei vielen Frauen ist die Lust oft eher zirkulär, manchmal sind sie müde und merken dann doch, dass es doch anregend ist. Man soll nicht darauf warten, bis die Lust da ist, sondern einfach einmal beginnen.
Ich habe einmal gelesen, dass es zwei Sachen gibt, auf welche man keinen Bock hat und dann doch glücklich ist, wenn man es macht: Sport und Sex.
Ja, es ist wirklich schräg. Weil man sagt ja z.B. «nur ja heisst ja». Aber manchmal lässt man sich auch gerne verführen und wenn man sich dann darauf einlässt und dann merkt, dass es lustvoll ist. Das würde nicht stattfinden, wenn man von Beginn an abblockt. Man muss den Körper oft auch neu entdecken. Was vielleicht noch vor einem Jahr funktioniert hat, kann sich verändern.
Gerade bei Frauen ist es auch hormonell bedingt, der Wechsel von der Mutter- zur Frauenrolle, das ist schon eine Herausforderung.
Du kannst auch mit dir vereinbaren, dass du z.B. ins Bad gehst, wenn die Kinder im Bett sind, um dich in die Rolle als Frau einzufühlen. Du gehst ins Bad, hörst Musik, ziehst dich um und bringst dich selbst in Stimmung.
Bei einer guten Freundin von mir ist die sexy Time am Morgen, am Abend ist ganz schwierig. Sie haben nun einen Deal, dass die Kinder immer am Sonntagmorgen Filme schauen dürfen für 40 Minuten und dann wissen sie auch, dass die Eltern am Kuscheln sind, weil sie sich gernhaben.
Das finde ich einen guten Zugang. Die Sexualität muss nicht am Abend stattfinden, das kann auch am Morgen oder am Mittag sein. Die Kinder sollen das dann auch respektieren, wenn die Tür zu ist.
Eine Sache noch…
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