Pünktlich zum Jahresanfang verkündete Mark Zuckerberg, dass er Facebook reparieren wolle. Damit adressierte er Facebooks Imageprobleme wie: Fakenews, Cybermobbying und die Tatsache, dass Facebook für viele nur noch eine grosse Quelle der Zeitverschwendung ist. Der erste Schritt der grossen Reparatur soll wie folgt aussehen: Neuer Facebook-Newsfeed soll den Nutzern mehr Inhalte von Freunden und Familie anzeigen. Kommerzielle und geschäftliche Inhalte sollen hingegen verschwinden.
Entsprechend verunsichert reagierte die Bloggerwelt. Kann Zuckerberg Facebook damit tatsächlich reparieren, oder ist das Netzwerk somit offiziell tot? Und was bedeutet die Änderung für uns Blogger, Publishers und Fanpage-Admins im generellen – können wir den Laden nun schliessen? Und falls ja, wohin ziehen?
Chez Mama Poule hat diese Fragen an vier Fachfrauen gestellt. Hier kommen ihre Antworten.
„Zukunftsweisend betrachte ich andere Formen der Vernetzung“
Susanne Mierau, Autorin und Bloggerin bei geborgen-wachsen.de (400-500k Views)
Die Facebookseite von „Geborgen Wachsen“ mit mehr als 68.000 „Fans“ war Ende November für mehrere Tage gesperrt, d.h. ich konnte zwar Artikel dort posten, sie hatten aber keine Reichweite. Auch eine Meldung bei Facebook hat daran nichts geändert und die Seite war für 9 Tage ohne nennenswerte Reichweite. Die Ursache lag wahrscheinlich darin, dass dort ein Artikel geteilt wurde, der auf eine Seite verwies, die von Facebook als unsicher eingestuft wurde. Glücklicherweise konnten wir über einige Umwege eine Person erreichen, die sich darum gekümmert hat, diese Sperre aufzuheben.
Nichts desto trotz hat diese Sperre mir mehrere wichtige Impulse gegeben: Es ist nicht gut, sich auf ein Medium zu verlassen, sondern es ist wichtig, Informationen über mehrere Kanäle an die interessierten Nutzer*innen zu verbreiten. Interessanterweise zeigte mir dieser Umstand, dass auch ohne Facebook der traffic auf meiner Seite nicht wesentlich zurück gegangen ist. Geborgen-wachsen.de hat monatlich zwischen 400.000 und 500.000 Seitenaufrufe und dies auch im November weiter erfüllt. Dies lag daran, dass die Leser*innen über andere Kanäle zugegriffen haben, als sie selbst merkten, dass sie den Inhalt nicht mehr über Facebook erhalten und auch die direkten Zugriffe über den Browser auf die Seite als Alternative angenommen wurde.
Die Interaktionen auf der Facebookseite von Geborgen Wachsen sind hoch, Artikel werden von Privatpersonen viel geteilt und auch in den einzelnen Gruppen sind sehr viele Nutzer*innen mit sehr reger Interaktion. Ich nehme daher nicht an, dass die Änderungen starke Auswirkungen auf die Reichweite allgemein haben in meinem Fall, da sich Geborgen Wachsen mit allen zugehörigen Kanälen als gutes Netzwerk etabliert hat.
Ich denke aber, dass es weiterhin wichtig ist – auch für andere Blogger*innen – auch andere Kanäle nicht außer Acht zu lassen, wie Newsletter, Pinterest, Instagram etc. Auch WhatsApp kann ein guter Kanal sein (hat sich für mich im Alltag aber letztlich als zu aufwändig ergeben, zum Teilen von Artikeln). Besonders wichtig aber finde ich auch alternative Formen der Vernetzung untereinander, die ich auch als zukunftsweisend betrachte. Die Initiative „Wochenende in Bildern“ ist ein Angebot der Vernetzung für Blogs, in das sich jede Woche sehr viele andere Blogs verlinken. Und auch das auf meiner Seite eingebundene Bindungsnetz, eine Sammlung anderer Blogs, die ich empfehle, ist ein Angebot an Leser*innen, das der Vernetzung dient und dem Hinweis auf andere Artikel auf anderen Seiten. Dieses Bindungsnetz wird täglich um die 300 Mal aufgerufen und verzeichnet zahlreiche ausgehende Klicks zu anderen Seiten und ist damit ein eigenes kleines Netzwerk.
Susanne Mierau ist Mutter von drei Kindern und wohnt in Berlin. Die Buchautorin bloggt auf geborgen-wachsen.de über kindliche Entwicklung und geborgenes Aufwachsen. Ausserdem berät sie Eltern sowie Fachperson und spricht auf Konferenzen und Tagungen. Folgt Susanne auf: Pinterest und Instagram.
„Instafame und FB-Reach sind auf Sand gebaut. Eine solide Seite mit nutzwertigem Content steht stabil.“
Svenja Walter, Kommunikationsberaterin und Bloggerin bei meinesvenja.de
Ihr Lieben,
ich blogge seit 10 Jahren und habe gefühlt schon jede Art von Algorithmusänderung erlebt. Strukturierte Texte mit Expertise werden belohnt, Bilder werden belohnt, Videos werden belohnt. Live Videos werden belohnt, Stories werden belohnt, das Bespielen von Plattformen aus einer unternehmerischen Hand wird belohnt. Und immer werden die neuen Algo-Ankündigungen begleitet von heftigem Flügelschlagen und Gegacker.
„Die können doch nicht…“. „Heißt das dann…?“. „Wird dann etwa…?“ Dazu kommen diverse Weltuntergangsszenarien á la „Dann können wir unseren Laden ja gleich zumachen.“ Panik macht sich breit, das sichere Aus steht vor der Tür und alle Leser, Zuschauer und zahlende Kunden werden garantiert gleich das Weite suchen. Armageddon.
Währenddessen sitze ich ganz in Ruhe in meiner Bibliothek in meinem blauen Sessel und wenn ich ganz ehrlich bin, lese ich solche Verkündigungen nicht mal. Tatsächlich habe ich mich jetzt nur damit beschäftigt, weil Ellen mich bat, diesen Kommentar zu schreiben. Und ich sage euch auch warum.
Völlig egal, ob jetzt mehr von Freunden angezeigt wird. Mehr Relevantes, mehr was mich bereichert. Oder ob gerade mal wieder Firmen gepusht werden. Es gibt zwei grundsätzliche Maximen, nach denen ich mich im Internet bewege.
1. Bleibe unabhängig und stehe auf eigenen Beinen.
Ich bin komplett unabhängig von Kooperationen, Unternehmen und Werbung. Ich werde für nichts bezahlt und kann deshalb sein, wie ich bin und machen, was ich will. Jeden Tag meinen Kurs ändern, wenn ich mich danach fühle oder es aus professioneller Sicht nötig ist. Ich kann neue Produkte erfinden. Mir überlegen, womit ich Umsatz machen möchte. Ich brauche Nichts und Niemanden, außer meinen gesunden Menschenverstand und mein MacBook.
Was ich auch nicht brauche, ist Traffic von Plattformen. Ich habe ihn zwar, weil ich dort mit Menschen verbunden bin. Aber wenn die Verweise über eine Plattform mal wegfallen oder schwanken, ist das kein Problem. Und ja, das weiß ich aus Erfahrung, denn in 10 Jahren ist fast alles schon einmal passiert.
Wer unabhängig bleibt, der ist automatisch stabil auf vielen Plattformen und in vielen Netzwerken aufgestellt. Am Allerwichtigsten ist es aber, eine eigene Seite zu haben, zu der Leser sich hingezogen fühlen. Da gibt es nämlich keinen Algorithmuswechsel oder sonstige changes of heart. Instafame und Facebook-Reach sind auf Sand gebaut. Eine solide Seite mit nutzwertigem Content steht stabil.
2. Ehre Deine Werte und Dein Bauchgefühl.
Ich halte nichts von Taktik. Aber viel von Menschlichkeit. Meine Leser behandele ich nicht aus strategischen Gründen wie Freunde, sondern weil viele mittlerweile Freunde sind. Ich nehme sie nicht ernst, damit sie Geld bei mir lassen. Sondern weil sie interessant sind.
Ich bin immer, wie ich bin. Ich mag Menschen, ich mag es Menschen zu inspirieren und ich mag es, sie dabei zu unterstützen, ihre Träume zu leben. Meine Werte sind klar. Und je älter ich werde, desto leichter gelingt es mir, sie mit meinem Bauchgefühl zu koppeln.
„Alles Gute kommt zurück“, sagt meine Freundin Carolin Rottländer immer. Wer durch’s Leben geht und anderen Gutes tut, weil es ihn von innen heraus danach dürstet, der braucht keine Facebook-Strategie. Der wird immer Leser und Likes haben.
Also: Hört auf, euch Sorgen zu machen. Passt eure Taktik nicht willkürlichen Algorithmusänderungen an. Hechelt nicht einem Traffic hinterher, der eh belanglos wäre.
Anstatt dessen sprecht aus dem Herzen. Antwortet denen, die kommentieren und euch schreiben. Ja, allen. So gewinnt man vielleicht keine Follower, aber Freunde. Und ihr erinnert euch vielleicht – das sind die Menschen, die euer Leben lebenswert machen.
In diesem Sinne
Eure Svenja
Svenja Walter hat zwei Kinder und wohnt in München. Seit 2008 bloggt sie auf meinesvenja.de über Kochen, Basteln und Reisen. Am 1. Januar dieses Jahres lancierte sie ihren neuen DIY-YouTube-Channel. Ausserdem gibt sie Workshops und hält Referate über Bloggen, Digitalisierung und Social Media bei Unternehmen und für Einzelpersonen. Folgt Svenja auf: Instagram und YouTube
„Jede Mailadresse ist mehr wert, als ein Fan, in einem sozialen Netzwerk, das jederzeit dichtmachen oder seine Regeln ändern kann.“
Bianca Fritz, Leiterin Onlineredaktion bei fritzundfraenzi.ch und Social-Media-Beraterin bei sukhiyoga.net
Natürlich hat jede Vorhersage, was das geplante Facebook-Update wirklich bedeuten wird etwas von Kristallkugelleserei. Dass mit dem neuen Facebook-Newsfeed schwere Zeiten auf alle Facebook-Seitenbetreiber ohne grosse Werbebudgets zukommen, steht für mich allerdings ausser Frage. Denn wenn Content von Freunden und Familien grundsätzlich bevorzugt wird, bleibt schlicht weniger Platz für Inhalte von Seitenbetreibern. Weniger Platz für organische Posts und weniger Platz für gesponserte Beiträge – was die gesponserten automatisch teurer macht, weil man hier mit grossen Unternehmen um die wenigen Werbeplätze konkurriert. Sich auf Facebook allein als Traffic-Generator zu verlassen ist daher unsicher und falsch – aber das war es im Grunde schon immer. Mein Tipp: Stellt euch breit auf. Nutzt auch andere soziale Netzwerke, zeigt euch offline und vor allem: Baut eure E-Mail-Liste auf. Denn jede Mailadresse ist mehr wert, als ein Fan, in einem sozialen Netzwerk, das jederzeit dichtmachen oder seine Regeln ändern kann. Das beweist Facebook ja gerade eindrücklich.
Facebook jetzt beleidigt Rücken kehren? Auf keinen Fall! Dafür ist die Zahl an Menschen, die ihr hier erreichen könnt, einfach zu gross.
Meine vier Tipps, um weiterhin in den neuen Facebook-Newsfeed gespielt zu werden:
1 Weniger ist mehr.
Wenn die „bedeutungsvolle Interaktion“ (vermutlich meint Facebook hier echte Kommentare, die zu Diskussionen führen und das Nutzen der Teilen-Funktion) mit einem Beitrag künftig im Vordergrund steht, sollte man seinen Fokus auf den Mehrwert der Beiträge legen – und darf dafür die Regelmässigkeit etwas vernachlässigen. Mehr als je zuvor solltet ihr euch vor dem Veröffentlichen einen Posts fragen: Ist er für andere so wertvoll, dass sie ihn teilen möchten? Spricht er sie so sehr an, dass sie ihn kommentieren möchten? So wertvoll wird ein Post beispielsweise, wenn er ein aktuelles Problem der Fans löst, oder wenn sie dort völlig neue Informationen finden.
2 Angekündigte, längere Live-Videos.
Im Gegensatz zu anderen Videos, sind Live-Videos kein Content, der einfach nur passiv konsumiert wird. Hier können die User schon während das Video ausgespielt wird Fragen stellen und Rückmeldung geben. Dafür sollten sie online sein, also kündigt an, wann ihr live geht und ladet eure Freunde dazu ein. So wird schon in den ersten Minuten Lebenszeit des Posts Interaktion generiert – was Facebook sicherlich gefällt.
3 Community-building statt Content-Schleuder:
Ihr seid nicht nur Sender: Stellt Fragen! Antwortet! Auf jeden Kommentar – und sei er noch so ärgerlich. Bittet um Hilfe. Bringt Menschen zusammen – auf eurer Seite (oder noch besser: in eurer Gruppe, denn diese wird im Facebook-Newsfeed bevorzugt). Und zeigt euch! Besonders wenn ihr ein 1-Frau/Mann-Unternehmen seid oder euer Unternehmen aus wenig Personen besteht. Werdet persönlich. Besonders, wenn ihr euch persönliche Kommentare von euren LeserInnen wünscht, müsst ihr in Vorleistung geben und Vertrauen schaffen. Seid mehr Freund als Unternehmen. Gerade für ElternbloggerInnen gilt ausserdem: Es ist wichtig, dass eure Fans euch als „eine von uns“ wahrnehmen und ihre eigenen Geschichten in euren erkennen. Dann habt ihr auch gute Chancen, dass sie eure Geschichten teilen, um zu zeigen: „Seht her – genau so fühle ich mich auch!“
4 Bittet eure Fans, euch mit der Option „als Erstes anzeigen“ zu abonnieren.
Wenn ihr schon eine treue Fanbase habt, dann informiert sie darüber, dass sie selbst eine Einstellung vornehmen können, um keinen Beitrag von euch zu verpassen. Treue Fans machen das gerne! Und treue Fans sind auch genau diejenigen, die „wertvolle Interaktionen“ bei euren Beiträgen generieren. Macht es ihnen einfach, indem ihr einen Screenshot oder ein Video veröffentlicht, das zeigt, wie das Abonnieren funktioniert.
Bianca Fritz ist Leiterin der Onlineredaktion des Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi und verantwortet dort die Social-Media-Strategie. Ausserdem bloggt sie unter dem Namen Sukhi-Yoga, gibt Yogastunden und verhilft Yogalehrern und Yogalehrerinnen zu einer authentischen Stimme und einer funktionierenden Strategie in den Sozialen Netzwerken. Folgt Bianca auf Instagram und Facebook.
„Vergiss Facebook als Traffic-Kanal. Es geht hier zukünftig um den Aufbau einer Community rund um deinen Blog oder deine Marke.“
Anne Häusler, selbständige Social-Media-Beraterin bei annehauesler.de
Yeah! Aus User Sicht finde ich die Änderung des Facebook Algorithmus super: mehr Updates von Freunden und Bekannten (die dann hoffentlich wieder mehr posten). Mehr Posts mit echten Diskussionen und Gesprächen zu meinen Themen. Und endlich weniger Clickbait Posts à la „Klicke gefällt mir, wenn du Einhörner auch süß findest“ und Katzenvideos von Firmen, die mit Kätzchen nichts am Hut haben.
Facebook geht „back to the roots“ und das Thema Community steht zukünftig wieder ganz im Mittpunkt. Das heisst für dich: Vergiss Facebook als Traffic-Kanal. Es geht hier zukünftig um den Aufbau einer Community rund um deinen Blog oder deine Marke und die direkte Kommunikation mit deinen Lesern.
Stelle dir vor jedem Post genau eine Frage: Ist dieses Thema für meine Fans so spannend, daß sie bereit sind mir 30 Sekunden ihrer Zeit zu schenken? 30 Sekunden, um deinen Beitrag zu kommentieren oder zu teilen.
Achte genau darauf, welches Format deine Fans und Followers schätzen. Meine Einschätzung (die von 98 Prozent der Online Marketing Experten geteilt wird): Der neue Algorithmus wird das Thema Videos auf Facebook nochmal ordentlich pushen.
Weil Videos die persönlichste Art der Kommunikation sind und die Menschen hinter dem Blog oder der Marke zeigen.
Pro-Tipp: Wenn du vor der Kamera Schweißausbrüche bekommst, probiere mal die neue Audio-Live-Feature auf Facebook aus. Damit bist du live und persönlich für deine Fans da, ohne Gesicht zu zeigen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Audio Live zur kleinen Schwester der Live Videos wird.
Anne Häusler hat drei Kinder und wohnt derzeit in Belgrad. Sie zeigt Bloggerinnen und Selbständigen, wie sie Social Media nutzen können, um ihren Blog und ihr Business voran zu bringen. Schaut auf ihrer Webseite vorbei und folgt ihr auf Facebook und Instagram.
- Das offizielle Statement von Facebook: Die Menschen näher zusammenbringen
- Martin Gisler – in meinen Augen die beste Social-Media-Infoquelle im deutschsprachigen Raum – über den neuen Facebook-Newsfeed: Facebook ändert seinen Newsfeed, was das für Verlage und Fanpages bedeutet
- Adrienne Fichter beschreibt wie Facebook vom Studentenprojekt zum einflussreichen Werberiesen wurde: Zuckerbergs Monster (Der allererste Artikel von Republik, schon deshalb lesenswert!)
- Schweizer Bloggerin Andrea Jansen im Interview
Eine tolle Seite! Habe gerade sehr über deine Kolumne „Ausgehen mit 2 Kindern“ lachen müssen. Als Zwillingsmama kenne ich das natürlich!
Auch die Interviews sind sehr spannend. Es geht nichts über eine gute Community.
LG
Herzlichen Dank für Deine Zeilen, liebe Christina! Ich freue mich von Dir zu hören, u.a. weil ich Deine blau-roten Pins liebe ;- ) Herzliche Grüsse aus Zürich, Ellen
Danke Ellen für den informativen Beitrag. Bei einigen Aussagen kann ich als Marketing-Expertin zustimmen, bei anderen nicht.
Was klar ist, dass alle Kanäle nun Community-Strategien und Expertentum mehr würdigen anstatt leeren Ads und Versprechungen.
Und der visuelle Aspekt wird zudem noch wichtiger.
Liebe Grüsse,
Muriel
Danke, liebe Muriel, für Deine Rückmelung.