Dieser Text ist für alle Neu-Eltern: Lasst euch nicht verrückt machen. Gründe warum Babys abends weinen, gibt es fast so viele, wie es Babys gibt. Und entspannte Eltern, haben sehr wohl unentspannte Kinder.
Bild: ©Simona Dietiker
Es gibt extrem viele Gründe, weshalb Erwachsene abends weinen. Bei Babys hingegen haben sich ein paar wenige und sehr hartnäckige Erklärungen etabliert. Eine der beliebtesten (meist von der älteren Generation geäusserte) Erklärung: Das Baby weint, weil es Hunger hat und zwar weil die stillende Mutter zu wenig, zu „blähende“ oder keine „nahrhafte“ Milch hat. Dabei bedeutet Weinen nicht immer Hunger (vgl. Largo, s. 259). Ebenfalls gerne greift man zum Mythos „Koliken“: Ein Begriff, den man nur in der westlichen Welt kennt. Gilt es bei uns doch seit rund 150 Jahren als normal, Säuglinge stundenlang liegen zu lassen (vgl. Bensel, s. 378 und Largo, s. 258). In Kulturen in denen Babys ständig getragen und häufig gestillt werden, wird abends auch seltener geweint, das Phänomen „Koliken“ entsprechend unbekannt. Und zum Schluss die absurdeste aller Aussagen: Entspannte Mutter, entspanntes Baby. Absurd weil: Die Tatsache, dass Babys weinen, rein gar nichts mit den Eltern zu tun hat. Alle Babys schreien, egal wie sich ihre Eltern verhalten (vgl. Largo s. 261). Ausserdem sind zwei Stunden Schrei-Zeit pro Tag in den ersten Monaten ziemlich üblich.
Wenn Babys noch ganz klein sind, beginnen sie oft in den Abendstunden zu weinen und können weder an der Brust noch im Tragetuch zur Ruhe kommen. Oft haben wir Eltern – aus welchen Gründen auch immer – das Gefühl, dass das Weinen sofort aufhören müsse. Aber statt unsere Kinder verzweifelt beruhigen oder ablenken zu wollen, lohnt sich folgendes Experiment: Innehalten. Das Weinen und die Gefühle aushalten und begleiten, statt es „abstellen“ zu wollen. (Gilt übrigens genauso für ältere Kinder. Und vielleicht für alle unsere Beziehungen im Allgemeinen.) Oft weinen Babys nämlich, weil sie einfach spüren wollen, dass wir für sie da sind. Daneben gibt es noch eine Menge weiterer Gründe, warum Babys abends weinen. Hier kommt eine (nicht immer ganz ernst gemeinte) Auswahl.
47 Gründe warum Babys abends weinen.
1. Weil sie noch nicht müde sind.
2. Weil sie saumässig müde sind.
3. Weil sie einschlafen wollen, aber noch nicht gelernt haben wie.
4. Weil sie nicht einschlafen wollen.
5. Weil sie uns etwas zu erzählen haben. Und Weinen (noch) die einzige Sprache ist, die sie beherrschen.
6. Weil sie zwischen 0 und 3 Monaten alt sind.
7. Weil sie überreizt sind und ihre Ruhe brauchen.
9. Weil sie tagsüber zu wenig geschlafen haben.
10. Weil sie tagsüber zu viel geschlafen haben.
11. Weil Clusterfeeding.
12. Weil sie zu wenig gegessen haben.
13. Weil sie zu viel gegessen haben.
14. Weil Blähungen.
15. Weil sie heiss haben.
16. Weil sie kalt haben.
17. Weil sie sich langweilen.
18. Weil sie unsere Zuwendung brauchen. Und Geborgenheit. Und Oxytocin.
19. Weil sie gepuckt werden wollen.
20. Weil sie Körpernähe brauchen und getragen werden wollen.
21.Weil sie sanft geruckelt werden wollen.
22. Weil keine Ahnung.
23. Weil sie die Gebärmutter vermissen.
24.Weil die Windel voll ist.
25. Weil sie nicht in die Windel machen, sondern abgehalten werden wollen.
26. Weil der Body kratzt.
27. Weil ihnen etwas weh tut.
28. Weil sie krank sind.
29. Weil evolutionstechnisch bedingt. Babys, die in der Steinzeit abends nicht schrien, wurden von Hyänen gefressen.
30. Weil sie nicht alleine sein wollen.
31. Weil sie Angst haben.
32. Weil sie einen Schub haben.
33. Weil zu viel Licht.
34. Weil zu wenig Licht.
35. Weil es zu laut ist.
36. Weil zu ruhig.
37. Weil sie ein Gute-Nacht-Lied hören wollen.
38. Weil sie das Gute-Nacht-Lied nicht mehr hören können.
39. Weil es eine Phase ist.
40. Weil sie pupsen müssen.
41. Weil sie aufstossen müssen.
42. Weil sie in den Fliegergriff wollen.
43. Weil Zähne.
44. Weil es heute viel Besuch gab und sie diese neuen Eindrücke und Reize nun verarbeiten müssen.
45. Weil sie Mama vermissen.
46. Weil sie Papa vermissen.
47. Weil sie Babys sind und schreien zu ihrer Jobdescription gehört.
Ganz wichtig:
Wenn ihr denkt, euer Baby weine vor Hunger, kontaktiert eine Stillberaterin (ICBLC oder LLL). Die ersten drei Stillberatungen werden von den Krankenkassen übernommen und reichen für gewöhnlich aus. LLL-Stillberaterinnen arbeiten sogar ehrenamtlich und sind unglaublich kompetent, was das Stillen angeht (können euch z.B. eine Gewichtskurve eures Babys berechnen). Wenn ihr den Verdacht habt, euer Baby sei krank, ruft einmal mehr eure Kinderärztin an. Wenn es Wochenende oder schon spät ist: Wendet euch an das Ärztefon.
Und wenn alles gut ist, euch das Weinen dennoch an die Grenzen bringt: Geht mit eurem Baby immer behutsam um. Holt Hilfe. Lasst euch Arbeit abnehmen. Gebt euer Baby ab, geht für 10 Minuten raus an die frische Luft. Trinkt ein Glas kaltes Wasser. Schliesst die Augen, stellt das Smartphone ab, atmet tief ein. Und aus. Meldet euch bei der Hotline des Vereins Schreibabyhilfe (da nehmen andere Mütter ehrenamtlich das Telefon ab und werden versuchen euch zu trösten): Schreibabyhilfe. Und wer auch so gerne liest, findet wundervolle Gedanken, Fachinformationen, Tipps und Ideen im neusten Buch von Anja Constance Gaca, Hebamme und Stillberaterin ICBLC und Susanne Mierau, Diplom-Pädagogin, Familienbegleiterin und Heilpraktikerin: Hier geht’s zum Buch.
Das innige Titelbild hat die Familienfotografin Simona Dietiker von Momoland Photo gemacht. Tausend Dank an dieser Stelle für unsere schöne Zusammenarbeit, liebe Simona! Ihr wollt auch solche Momente eurer Familie festhalten? Simona Dietiker beantwortet alle Fragen: www.momolandphoto.ch
Grossartiger Beitrag. Vielen Dank dafür.
Und meiner Meinung nach, ist gerade bei diesem Thema der Humor angebracht, da dieser bei so belastenden Situationen doch oft komplett verloren geht.
Jedoch deckt sich Einschub „…meist von der älteren Generation geäusserte…“ nur bedingt mit meiner Erfahrung.
Ich finde hier das Shaming, welches unter Eltern im selben „Stadium“ verbreitet wird, viel intensiver. Wer sein Kind nicht zu Hause geboren, ausschliesslich getragen und mindestens 7 Jahre gestillt hat ist eine Rabenmutter und wird durch diverse Foren und Blogs oder aSoziale Medien sowie je nach Wohnquartier durchs analoge Umfeld zurecht gewiesen.
P.S.:Ich bin via Tamedia (der Bund) auf diesen Beitrag gestossen.
Hi,
Erstmal Danke für den Veitrag. Habt ihr davon gehört, dass in „primitiven“ Kulturen (am Amazonas und so) Babys gar nicht in dieser Art weinen sollen? Sprich, ist nicht ihre Natur, sondern eher ein zivilisatorisches Phänomen…?
Lg
Eva
Danke für diese Rückmeldung. Ja, davon habe ich glaube mal Jean Liedloff (Auf der Suche..) gelesen. Spannend, spannend.
Der Elternnotruf ist auch eine gute Sache, wenn man kurz vor dem Verzweifeln ist. Hat eine 24 h Telefonnummer und auch eine gute Homepage. Tel. 0848 35 45 55
Gruss Jacqueline
Auch Osteopathie hilft oft den Kleinen! Von der Geburt haben die Kleinen oft Blockaden und Spannungen, die auch nicht gerade zum entspannt sein beitragen!
Gute Liste und klasse der Vorschlag mit dem aushalten und halten!
Was ist denn das für ein Deutsch? Bei so nem wichtigen Beitrag zur Aufklärung vielleicht verzweifelter Eltern kann man sich ruhig bissl Mühe geben!
Liebe Ulrike,
ich glaube was dich stört ist die Schweizerdeutsche Grammatik – die unterscheidet sich tatsächlich ein bisschen von der Hochdeutschen 😉
Und ja, viele der Punkte kann ich so unterschreiben <3
Liebe Grüße
Saskia
Danke, liebe Saskia! Das dachte ich auch. Ich habe Ulrike eine persönliche Email geschrieben und gebeten die Deutschfehler zu erläutern, die ihr aufgefallen sind, aber leider nie eine Antwort erhalten. Schade, wäre interessant gewesen.
Weil es auch lustig sein soll. Rechtschreibnazis, ohne Humor verstehen sowas aber anscheinend nicht.
22. find ich super! 🙂
Aber darauf, dass der Body kratzt, wäre ich auch noch nicht gekommen!
Ich hab mein Baby mal komplett ausgezogen, um zu checken, ob da irgendwo ein Haar von mir verfangen ist. Das juckt ja bei mir auch gern mal wie Hölle. War nicht, tatsächlich, aber die Aktion hat trotzdem geholfen.