„OMG I think one of my posts just went viral. I just checked and it broke 1k.“ lese ich wieder mal in einer Insta-Gruppe auf Facebook. Derweilen hantiere ich, Insta-Neuling, mit meiner neuen Spiegelreflexkamera, feile an meinen Texten und kämpfe mit dem neuen Algorithmus. Doch trotz aller Mühen für das perfekte Bild, scheinen es meine Beiträge nicht mal in andere Feeds zu schaffen. Was mache ich falsch?

Engage or die

Wer nicht interagiert, stirbt. So lässt sich das Credo der Instagram-Community zusammenfassen. Denn der neue Algorithmus zeigt die Fotos nicht wie früher chronologisch, sondern der Relevanz nach an. Und Insta-relevant ist, was viele Likes und Kommentare generiert.

Im Gegensatz zu beispielsweise Twitter (Einstellungen > Timeline > Zeige mir die besten Tweets zuerst an) lässt es Instagram einem nicht frei, selbst zu entscheiden, in welcher Reihenfolge man die Posts von anderen sehen mag. Neue oder kleinere Accounts – wie meins es ist – bleiben dabei unsichtbar. Denn ohne Engagement, keine Sichtbarkeit. Ohne Sichtbarkeit wiederum, kein Engagement. Wie durchbricht man diesen Teufelskreis?

Instagram-Pods überlisten den neuen Algorithmus

Die Antwort der Teenager weltweit lautet: Instagram-Pods. Pods (frei übersetzt aus dem Englischen für: Delfinherde) sind geheime Gruppen deren Mitglieder sich gegenseitig pushen. Deren These: Je mehr Likes und Kommentare ein Beitrag in der ersten Stunde nach der Veröffentlichung bekommt, desto höher klettert er im Feed seiner Abonnenten und desto grösser auch die Chance in den heissbegehrten Search-&-Explore-Feed zu gelang: Dem Becken für garantierte Viralität.

Das Prinzip der Pods ist einfach: Einer teilt sein Foto in der Gruppe, die anderen liken und kommentieren es. Ein Influencer wäscht also den anderen.

Wir gründen jetzt auch einen Instagram-Pod

Soweit zur Theorie. Doch wie ist es in der Praxis? Lässt sich der Insta-Algorithmus wirklich so leicht überlisten? Kommt man in einem Instagram-Pod in ein Riesenstress? Und wie steht es um die Ethik solcher Zweckbeziehungen?

Um das herauszufinden, gründe ich kurzerhand eine FB-Gruppe. kündige dort das Experiment an und lade andere Bloggerinnen zum mitmachen ein: Eine Woche lang zu einer fixen Zeit gegenseitig liken und kommentieren. Unsere Skepsis ist gross, unsere Neugier grösser: Lässt sich der Insta-Algorithmus wirklich so einfach austricksen? Schliesslich gibt es schlimmeres, als sich zu fünfzehn (mehr Personen lässt der Insta-Gruppenchat nicht zu) Komplimenten täglich zu verpflichten, sagen wir uns und gründen unseren Instagram-Pod.

Mehr Followers und Likes?

Vier Tage, fünfzehn Bloggerinnen und einige sehr amüsante Gruppen-Dialoge später, trudeln um Punkt 20 Uhr vierzehn Fotos in mein Insta-Postfach. Und das grosse Rudel-Engagieren geht los. Adrenalin schiesst durch meine Adern, als ich mich durch die Fotos like, kommentiere und innerlich jauchze: Dir zeig ichs jetzt, Du Algorithmus!

Doch passieren tut am ersten Tag nicht viel. Obwohl ich noch nie so viele Kommentare in so kurzer Zeit bekam und schrieb, erhalte ich nur ein klein wenig mehr Likes und Followers als sonst. Auch die Pod-Kolleginnen sind ernüchtert: Keins unserer Bilder ging viral.

Mein Fazit nach einer Woche im Instagram-Pod: Der Klicks wegen lohnt sich der Aufwand nicht. Nach einer Woche im Instagram-Pod nahmen meine Likes um 30, meine erhaltenen Kommentare um 300 und meine Engagement-Rate um 5 Prozent zu. Diese Zahlen spiegeln aber mehr oder weniger die Interaktion meiner Pod-Kolleginnen (und nicht zusätzlicher Interaktionen). Die Webseitenklicks aus Instagram nahmen dabei um 30 Prozent zu – auch das entspricht zahlenmässig den Klicks aus dem Pod. Was interessant ist: Mein Follower-Zuwachs nahm um 11 Prozent ab. Was wohl damit zu tun hat, dass ich in dieser Woche weniger mit neuen Accounts interagierte, der Pod beanspruchte zu viel von meiner Zeit.

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Natürlich ist meine Analyse nicht repräsentativ. Und natürlich weiss ich nicht, wie meine Zahlen ohne den Pod in dieser Woche aussähen. Und auch nicht, wie viel Zeit die Teenies in solchen Pods verbringen. Was aber klar ist, mit meinem 45 Minuten Turbo-Engagement, konnte ich den Insta-Algorithmus nicht knacken. Dafür aber eine Menge lernen: Zum Beispiel wie langweilig meine Kommentare sind. Bisher getraute ich mich gar nicht so recht etwas zu kommentieren und wenn, dann waren ein paar Emojis das Höchste der Gefühle. Nach ein paar Runden Speed-Kommentieren konnte ich (konsequenterweise) schneller kommentieren und mir einiges an Kommentier-Kunst von meinen Pod-Kolleginnen abschauen. „Der Pod macht echt schlau“ resümierte @mintundmalve den ersten Tag und eigentlich auch unser gesamtes Experiment.

Der Pod macht sozial – der Urgedanke von Social Media?

Und nun, machen wir weiter? Ja. Aber nicht der Klicks wegen. Sondern wegen dieser „Wir-gegen-den-Algorithmus“-Solidarität, die in unserem Instagram-Pod entstand und uns offensichtlich sehr verband.

Soviel Komplizentum erlebte ich bisher weder an einem Social-Media-Meetup, noch in einer meiner zahlreichen Blogger-Gruppen auf Facebook. In dieser Woche verrieten wir uns alle Tricks zu Instagram, SEO oder Fotografie. Wir wussten aber auch wessen Kinder abends nicht einschlafen können und wer noch mit den Schwangerschaftskilos kämpft. Wir wünschten der einen gute Besserung, gratulierten der anderen zum Geburtstag. Wir konnten uns alle wie 15-Jährige fühlen, alberten rum. Wenn man bedenkt, dass wir uns zu beginn des Experiments komplett fremd waren: So sozial wie in diesem Chat, war ich in einer Gruppe fremder Menschen bisher echt selten.

Und die Moral von der Geschicht? Soziale Medien machen nicht nur einsam, sondern können durchaus sozialisieren. Aber erst wenn man sich gegen sie schliesst. Während wir dem Algorithmus der sozialen Medien den Kampf ansagten, kamen wir ein Stück weit seinem eigentlichen Ziel näher: Wir kamen zusammen, fanden neue Freunde.

 

 


Du willst auch in einen Instagram-Pod? Hier kommen unsere Learnings:

Checkliste: So geht Instagram-Pod

✔ Nische: Schau, dass in Deinem Pod Blogger*innen drin sind, die Dich interessieren und tu es nicht der Klicks wegen. Toll sind auch Pods aus ein und derselben Nische sind. Einer kinderlosen Foodbloggerin fällt es ev. schwer einen Beitrag über DIY-Kindermöbel zu kommentieren.

✔ Zeit: Macht ab, ob ihr spontan oder zu einer fixen Zeit online seid. In unserem Pod sind fast alle Mütter, drum waren wir jeweils abends online – während oder nachdem wir (und natürlich unsere Zielgruppe ebenfalls Mütter) die Kinder einschlafstillen oder -tragen.

✔ Planung: Bereite Deine Beiträge (& Hashtags) im Vorfeld (mit Apps wie Mosaico oder Later) vor.

✔ Vier Worte: Damit Insta einen Kommentar als solchen wertet, braucht es mindestens vier Worte. Emojis zählen nicht dazu.

✔ 15 Mitglieder: So viel lässt der Insta-Chat im Moment maximal zu, dh. so gross kann ein Pod sein.

✔ Verlinken: Auf das Papierflugzeug-Icon neben dem Kommentar-Icon klicken und Dein Bild so direkt in den Gruppen-Chat senden.

✔ Analyse: Wenn Du auf ein Business-Profil (Einstellungen > Konto > (In Business-Konto umwandeln) wechselst, kannst Du deine Statistiken direkt in Insta analysieren. Alternativ (aber nicht kostenlos ist Iconosquare)

✔ Tritt einem bestehenden Pod bei: Such mal bei Twitter & Insta nach #Pods, #Commentpods oder #InstagramPod. Starte einen Aufruf in einer Deiner Blogging-Gruppen auf FB. Tritt unserer Gruppe für Elternblogger bei, melde Dich in diesem Pod für Health-Blogger an oder such in dieser englischsprachigen Gruppe nach Deiner Nische.