Mit Kinästhetik Infant Handling wird das Wickeln zu einer liebevollen Angelegenheit. Wir liefern einen Crash-Kurs für Eltern.
Irgendwann war meine erste Tochter trocken und ich merkte: Du hast sie zum letzten Mal gewickelt und es war Dir nicht mal bewusst. Umso mehr geniesse ich es nun mit meiner jüngeren Tochter. Auch wenn häufiges Wickeln anstrengend werden kann, so weiss ich: Irgendwann werde ich ihr die frische Windel anziehen, sie vom Wickeltisch heben und sie nie mehr wickeln. Deshalb übe ich mich hier in Achtsamkeit. Die Zeit am Wickeltisch ist eine Chance, intensiven Kontakt mit meinem Kind aufzunehmen. Unsere Beziehung zu festigen. Es ist ein Zusammenspiel von Berührung, Augenkontakt, Bewegung und Worten. Es sind die Momente am Tag, die nur uns zwei gehören.
Achtsame Kommunikation – Wickeln auf Augenhöhe
Vor dem eigentlichen Wickeln frage ich meine Tochter, ob wir jetzt ihre Windeln wechseln wollen. Auch ein Neugeborenes können wir das fragen: „So, jetzt gehen wir Deine Windeln wechseln. Einverstanden?“ Natürlich kann es uns noch nicht antworten, aber es spürt unsere Wertschätzung. Und es weiss, dass es aktiv mit einbezogen wird, in das was mit seinem Körper geschieht.
Beim Wickeln beschreibe ich gerne, was ich mache: “Nun mache ich Deine Windel auf.“ und „Und jetzt säubere ich Deinen Po.“ Ausserdem kann man die Genitalien von Anfang an mit deren richtigen Namen – Vulva und Penis – nennen, statt mit irgendwelchen Phantasienamen. So lernen Kinder den Körper als etwas ganz normales wahrzunehmen und nicht als etwas lustiges. Oder gar als etwas wofür man sich schämen muss und deshalb dafür lustige oder seltsame Namen erfindet. Sehr geprägt hat mich hier der Text von Susanne Mierau Keine Wickelkämpfe – Anleitung zur achtsamen Körperpflege im Alltag.
Zu guter Letzt: Der Umgang mit Ausscheidungen. Klar, Windelinhalte sind eher unappetitlich. Aber ein Baby kann nun mal noch nicht für sich selbst sorgen. Beim Wickeln spürt es unsere Emotionen. Merkt, dass uns etwas unangenehm ist. Und versteht erst mal nicht, weshalb wir uns vor etwas, das aus seinem Körper ausscheidet – sprich vor ihm selbst – ekeln. Anstatt zu kommentieren, wie unangenehm es gerade riecht oder wie schmutzig der Body nun ist, können wir die Sache ganz entspannt und liebevoll angehen. Und unserem Baby bereits auf dem Wickeltisch zeigen, dass wir wertschätzend mit seinem Körper umgehen.
Mehr Achtsamkeit dank Kinästhetik Infant Handling?
Vor der Geburt schweben Babys schwerelos im Fruchtwasser. Sie nutzen die Gebärmutter, um sich abzustossen. Um ganze Drehungen zu machen. Nach der Geburt ist ihr Körper der Schwerkraft ausgesetzt, die Muskulatur ist noch nicht ausgebaut. „Mit Kinästhetik können wir den Neugeborenen helfen, sich in der neuen Situation besser zurecht zu finden.“ so Karin Guggisberg-Bucher. Sie ist Kinästhetik-Infant-Handling-Beraterin und Elterncoach bei Familienweg.
Kinästhetik ist die Lehre der Bewegungsempfindung. Infant Handling steht für Berührung der Neugeborenen. Grundsätzlich geht es bei Kinästhetik Infant Handling darum, ein Neugeborenes so zu bewegen, wie wenn man z.B. einem erwachsenen Menschen beim Aufstehen helfen würde: Man arbeitet mit dem Baby zusammen und bindet es in seine Bewegungen ein.
Ein Kurs in „Kinästhetik Infant Handling“ half mir damals, bei der Pflege meiner Kinder besonders sanft und achtsam zu sein. Ihnen schon auf dem Wickeltisch auf Augenhöhe zu begegnen. Damit auch für euch das Wickeln von Anfang an zu einer liebevollen Angelegenheit wird, haben Karin Guggisberg-Bucher und ich für euch ein Wickeln-Crashkurs dokumentiert. Los gehts!
Schritt für Schritt: Baby wickeln mit Kinästhetik Infant Handling
In Filmen oder Werbung sah man früher oft, wie Babys beim Wickeln an den Füsschen gezogen werden, um die Windel zu wechseln. Bitte nicht! Stellt euch vor, ihr liegt auf dem Rücken und jemand zieht euch an den Füssen hoch. Eben. Heute wird von diesem Griff ausdrücklich abgeraten: „Wenn das Baby an den Füsschen hochgezogen wird, hat es keine Möglichkeit dieser unnatürlichen Bewegung zu folgen. Es muss es mit sich geschehen lassen.“ so Guggisberg-Bucher. „Es verliert seine Orientierung. Und kann drauf mit Widerstand reagieren.“
Dank Kinästhetik Infant Handling wissen wir es heute besser. Wenn wir ihre Bewegungen achtsam begleiten, erfahren Babys Selbstwirksamkeit. Das macht sie zufrieden. Und ganz nebenbei bauen Eltern und Kind das Vertrauen und die Beziehung zu einander auf.
So viel zur Theorie, nun zeigen wir euch das Wickeln Schritt-für-Schritt.
#1 Schritt: Baby hinlegen
Das Grundprinzip lautet: Beim Ablegen landet das Baby nicht mit dem Rücken auf der Wickelauflage, sondern mit den Füssen. Hierfür das Baby erst am Brustkorb umfassen. Eine Hand ist unter dem Po:
Bleibt mit dem Kind so lange seitlich im engen Körperkontakt, bis seine Füsschen die Wickelunterlage berühren:
Nun langsam über die Seite in eine Drehbewegung gehen mit dem Ziel, dass das Baby beinahe ins Sitzen kommt. Dabei stützt ihr es natürlich fest ab, das es noch nicht alleine sitzen kann:
…und in eine seitliche Sitzposition bringen:
Da Babys als erstes lernen sich zur Seite zu drehen, geschehen „kinästhetitsche“ Bewegungen aus der Seitenlage. Wir legen das Baby sanft auf die Seite, bis das ganze Gewicht auf der Unterlage abgegeben ist:
Und drehen es langsam auf den Rücken. Et voilà:
#2 Schritt: Babys Windelbereich säubern
Toll ist es, wenn die Wickelumgebung für die ganz kleinen Babies schön warm ist. Wenn es Winter ist oder die Wohnung allgemein eher kühl, könnt ihr eine Wärmelampe über dem Wickeltisch anbringen. Ihr könnt aber auch ein kuscheliges Tuch über die Brust und die Beine eures Babys legen, damit es auf dem Wickeltisch nicht friert.
Feuchttücher sind praktisch für unterwegs. Für den häufigen Gebrauch zu Hause sind sie eher nicht zu empfehlen: Sie sind kalt und beinhalten oft Parfüm. Das schätzt zarte Babyhaut nicht. Zu Hause könnt ihr in eine kleine Schüssel mit warmem Wasser ein paar Tropfen Öl träufeln. Und den Windelbereich mit nassen Lavetten bzw. Windelvlies säubern.
Achtet drauf, dass das Öl frei von synthetischen Duft- Farb- oder Konservierungsstoffen ist (z.B. das parfümfreie Calendula-Pflegeöl von Weleda.)
Ein Tipp meiner Hebamme war: Bio-Olivenöl aus dem Küchenschrank zum Po säubern verwenden. Das geht natürlich auch, aber gerade bei Neugeborenen kann der Duft des Olivenöls recht streng sein. Im Wochenbett wenn viel gewickelt wird, könnt ihr ausserdem das warme Wasser in einer Thermoskanne am Wickeltisch für den ganzen Tag bereitstellen.
Beim Saubermachen arbeiten wir uns von vorne nach hinten vor:
Um überall ranzukommen, drehen wir das Baby sanft auf die Seite. „Bleibt schön langsam und beobachtet euer Kind. Wartet seine Antwort ab. Es braucht Zeit, um die Bewegungen nachvollziehen zu können. Und eure Aufgabe ist es nicht die Bewegung für euer Kind zu übernehmen, sondern ihm zu helfen, es selbst zu tun.“ rät Guggisberg-Bucher. Später kann man auch einen Finger anbieten, damit es aktiv helfen kann, sich zur Seite zu drehen.
#3 Schritt: Babys Haut pflegen
Nun drehen wir das Baby zur Seite und kontrollieren die Pofalte:
Ein wenig Öl in die Hautfalten beugt Wundsein vor. Wenn der empfindliche Windelbereich gerötet ist, helfen Luftbäder ganz gut. Ihr könnt euer Baby einfach ein bisschen auf der Krabbeldecke „blütteln“ lassen. Nackig sein fördert Babys Bewegungslust und es kann wunderbar seinen Körper kennenlernen. Wenn es zu kalt ist oder z.B. vor dem Schlafen gehen, könnt ihr auch etwas Salbe auf die wunde Hautstellen auftragen. Die „Calendula“-Babycreme habe ich seit 4 Jahren im Einsatz und kann sie wärmstens empfehlen. Die Creme wurde speziell für Babys entwickelt und kann bereits ab dem ersten Tag verwendet werden. Sie ist sehr ergiebig und lindert Rötungen auf empfindlicher Babyhaut ausgzeichnet. Dies dank der Ringelblume (Calendula) deren Öle und Pflanzenstoffe Entzündungen hemmen.
#4 Schritt: Frische Windel anziehen
Nun machen wir die Windel auf. Drehen das Baby zur Seite. Legen die Windel an den Rücken und schieben diese sanft unter das Baby. Schliesslich drehen wir das Baby wieder auf die andere Seite:
Der bedruckte Bereich der Windel ist immer vorne. Dieses klappen wir zwischen den Beinen hoch und schliessen die beiden Seitenlaschen:
Zwischen der Windel und dem Bauch passen nun bequem zwei Finger rein. Achtet ausserdem drauf, dass die Beinabschlüsse draussen sind. Wenn sie nach innengeschlagen ist, kann die Windel auslaufen.
#5 Schritt: Baby anziehen
Auch hier drehen wir das Baby sanft auf die eine Seite. Wir ziehen einen Arm und ein Bein an, drehen das Baby sanft auf die andere Seite und ziehen die Kleidung auf der anderen Seite an.
Statt liegend auf dem Wickeltisch, könnt ihr eure Kinder gerne auch im Sitzen auf eurem Schoss anziehen. Im Liegen sind eure Bewegungen beim Anziehen spiegelverkehrt. Wenn euere Kinder mit dem Rücken an eurem Bauch sitzen, ist es für sie viel einfacher die Bewegungsabläufe zu erkennen und zu lernen.
#6 Schritt: Baby aufnehmen
Hier ist der Ablauf genau gleich wie beim Ablegen, einfach entgegengesetzt. Wir umfassen den Brustkorb. Und drehen das Baby seitlich…
…und gelangen sanft über die Seite in Sitzposition. Nun über die Füsse in stehende Position bringen.
#7 Schritt: Baby halten
Mit einer Hand stützt ihr den Po, mit der anderen könnt ihr die Füsse umfassen. Kontakt an den Füsschen ist wichtig: Neugeborene spüren gerne Grenzen, das erinnert sie an die Gebärmutter:
„Zu Hause, in gewohnter Umgebung, können Babys auch mal hockend mit dem Blick nach vorne getragen werden. In einer Traghilfe oder einem Tragetuch hingegen sollte ein Baby nie nach vorne eingebunden werden. Weil so das gesamte Körpergewicht auf das Schambein des Kindes drückt und die Genitalien unangenehm gequetscht werden. Ausserdem ist das Kind so schutzlos den Reizen ausgeliefert. Was abends oft mit untröstlichem Weinen verarbeitet wird.“ erklärt Guggisberg-Bucher.
#8 Schritt: Baby übergeben
Beim Übergeben ist es gut, wenn das Baby, die ihm vertraute dh. die haltende Person im Blick hat. Das vermittelt ihm Ruhe und Sicherheit. Wir legen eine Hand unter den Po, den Arm um den Brustkorb:
Neue Person übernimmt das Kind und stützt es mit dem eigenen Oberkörper. Das Kind ruht auf dem Unterarm der neuen Person und hat Blickkontakt zur vertrauten Person.
Herzlichen Dank, liebe Rebekka und Lionel von frauzufrau dafür, dass wir euch im Wochenbett fotografieren durften! Und nun geht’s zu Verlosung…
Transparenz & Verlosung
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Weleda AG. Herzlichen Dank für euer Vertrauen und die Unterstützung meines Blogs, liebes Weleda-Team. Und für euch, werte Leserinnen: Der Text widerspiegelt – selbstverständlich – meine ehrlichen Meinung und Erfahrungen als Mutter. Ich verwende seit Jahren die hochwertige Biokosmetik von Weleda, weil sie umweltfreundlich produziert und in der Entwicklung nicht an Tieren getestet wird.
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Bildrechte: © Ellen Girod
Ich bin Hebamme und Berufspädagogin und begeistert von diesen großartigen Bildern, die zeigen wie man einfühlsam und liebevoll sein Baby versorgt. DANKE
: ) DANKE dir!
Da ich im KIndergarten arbeite habe ich schon viele Kinder gewickelt. Jetzt als werdende Mama sehe ich vieles mit anderen Augen und hinterfrage mehr. Danke für den echt tollen Beitrag!
Danke für die Rückmeldung, liebe Stefanie.
Für mehr Natürlichkeit und Hautfreundlichkeit hätte ich mich sehr gefreut, in diesem tollen Beitrag eine hübsche Stoffwindel zu sehen.
Sehr spannend und hilfreich. Auch mir sind die Grundlagen bekannt, nur habe ich es noch nie im Zusammenhang mit dem Wickeln versucht. Vielen Dank
Ich habe auch vor einigen Jahren einen Kurs für Kinästhetik für pflegende Angehörige gemacht und viel Nützliches daraus mitgenommen!