Gibt man in einer Bilderdatenbank working mom ein, erscheinen nur Fotos von Frauen hinter einem Laptop. Höchste Zeit dieses Bild zu ändern. Ein Plädoyer gegen Schubladen und für mehr Wertschätzung.

«Ich geh ins Büro, um mich zu erholen.» Über diesen Satz meiner Freundin staunte ich – damals noch kinderlos – sehr. «Hmm, hast du es wirklich so easy auf der Redaktion?», fragte ich sie. Meine Freundin, damals Reporterin bei einer renommierten deutschen Zeitschrift, hatte es nicht easy auf der Redaktion. Sie hatte zwei kleine Jungs zu Hause. Als ich einige Jahre später selbst Mutter wurde, kam nicht nur mein Kind auf die Welt. Ich verstand, welch immense Arbeit Mütter unter dem abschätzigen Brand «zu Hause bleiben» leisten. Ich begriff, dass Geburt, Wochenbett und Kinderbetreuung nichts mit Ferien zu tun haben, wie es uns das Wort Mutterschaftsurlaub suggerieren will, sondern Schwerstarbeit sind.

Jede Mutter ist eine «working mom»

Viele in unserer Gesellschaft haben die sogenannte Care-Arbeit (Kinderbetreuung und Pflege älterer Menschen) aber noch nicht als Arbeit begriffen und halten vor allem für Mütter zwei Schubladen bereit. In die eine Schublade werden die sogenannten working mom gesteckt, die nach der Geburt weiterhin berufstätig bleiben. In der anderen Schublade landen die Hausfrauen. Und das, obwohl sie zu Hause genauso hart worken, wie die Moms in den Büros. Oftmals unter prekären Arbeitsbedingungen: Denn im Büro gibt es immerhin Pausen und warmen Kaffee, man kann alleine aufs Klo und das Mittagessen wird meistens im Sitzen gegessen. Samstags und Sonntags hat man normalerweise frei und wird bei Fieber krankgeschrieben.

Die ersten Jahre meines Lebens als Mutter verbrachte ich in der Hausfrauen-Schublade. Das waren meine definitiv schönsten, aber auch anstrengendsten Jahre. Was ich retrospektiv gerne auslöschen würde: diese ständige Einimpfung, dass meine Arbeit als Hausfrau nichts wert sei. «Und wann beginnen Sie wieder zu arbeiten?», fragte mich unsere damalige Kinderärztin. Wir sind mitten in der Sechs-Monats-Untersuchung meiner Tochter und ich dementsprechend unvorbereitet auf so eine Frage. Ich stottere irgendetwas von «vorerst mit meiner Tochter sein und meine Masterarbeit fertig schreiben und so». Die Kinderärztin schüttelt unzufrieden den Kopf. Heute würde ich ihr gerne antworten: Wie kann ich wieder zu arbeiten beginnen, wenn ich nie aufgehört habe? Und zwar neu mit Nachtschichten und Wochenenddiensten.

Wo bleibt die Wertschätzung?

Laut Bundesamt für Statistik wird nach wie vor der Grossteil der Care-Arbeit hauptsächlich von der Frau erledigt. Nur bei 6 Prozent der Familien ist dafür hauptsächlich der Mann zuständig. Die Ökonomin Mascha Madörin berechnete, was diese unbezahlte Care-Arbeit von Eltern mit Kindern bis 14 Jahre kosten würde: Sie kam auf rund 7000 Franken pro Monat. Wir sprechen hier von sehr viel unbezahlter, unsichtbarer und anstrengender Arbeit.

Was also tun? Zum einen sollten wir uns fragen, warum Männer, die jahrelang Zivildienst leisten, vom Staat bezahlt werden, während Frauen, die Care-Arbeit leisten, nichts dafür bekommen, dass sie für unser Land echtes Humankapital und AHV-Zahler*innen von morgen grossziehen. Zum anderen sollen wir anfangen, Hausfrauen und -männer schleunigst mehr Wertschätzung zu schenken und Care-Arbeit aufzuwerten – und dafür braucht es keine Politik, damit können wir gleich nach dem Lesen dieses Textes beginnen.

Dieses Umdenken würde allen Müttern helfen, den berufstätigen, die nach einem strengen Bürotag abends dann eben doch die Mehrheit der Kinderbetreuung übernehmen. Und den Müttern, die tags durch zu Hause arbeiten, abends und an Wochenenden aber ebenfalls mehr schuften, als sich zu erholen.

Der Mann einer Freundin wurde Opfer eines Stellenabbaus und für ein halbes Jahr Vollzeit-Hausmann. In dieser Zeit erkannte er, wie anstrengend es ist, sich den ganzen Tag um den Haushalt und die Kinder zu kümmern. Heute, O-Ton meiner Freundin, «ist für uns ganz klar: Derjenige, der mit den Kindern zu Hause war, darf abends aufs Sofa.» Solch gegenseitige Wertschätzung würde ich auch jungen Elternpaaren wünschen, die nicht von einem Stellenabbau betroffen wurden.

Mütter, ihr macht es grossartig!

Diese Wertschätzung können wir Mütter uns aber auch gegenseitig geben. Neulich wartete ich nach einem Bürotag auf den Zug. Die Hände in meiner Jacke, über die Schulter gehängt meine klitzekleine Laptoptasche. Neben mir auf dem Gleis stand eine andere Mutter: Baby im Tragetuch, eine grosse Wickeltasche umgehängt, in der Hand der Kinderwagen mit dem Kleinkind. Während ich tief entspannt meinem Podcast lauschte, fing das Kleinkind an, laut zu weinen, und sein Schnuller rollte über das Perron. Die Mutter wollte sich schon mit dem Baby und all ihrer Bagage in die Hocke begeben, um den Schnuller aufzuheben. Ich hätte uns gerne fotografiert; ich mit meinen Händen in der Jacke, sie mit ihren Schweissperlen, und drüber den Schriftzug gesetzt «Wer ist hier die working mom?».

Stattdessen nahm ich für sie den Schnuller vom Boden auf, lächelte ihr zu und sagte: «Du machst es grossartig. Ich habe auch zwei Kinder.» Wir kamen ins Gespräch, und als der Zug einfuhr, sagte ich zu ihr: «Unter uns gesagt: An manchen Tagen fühlt es sich so an, als würde ich ins Büro gehen, um mich zu erholen.» Ihr hättet ihr Gesicht sehen sollen.

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Working mom - ein Plädoyer gegen Schubladen

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Dieser Artikel erschien zuerst im Tages-Anzeiger.
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